Sie heißen Riu, Escarrer, Barceló, Fluxà. Jedem Mallorquiner,
jedem Touristiker und vielen Urlaubern sind die Namen ein Begriff,
ist mit ihnen doch der Beginn des modernen Tourismus auf Mallorca
eng verküpft. Doch diese Unternehmer wären ohne Angestellte nichts
gewesen. Das wusste Luis Riu, der 1998 verstorbene Chef und
Eigentümer der gleichnamigen Hotelkette. Deswegen hatte er ein
Denkmal für die Kellner, Zimmermädchen, Köche, das Empfangspersonal
und all die vorgeschlagen, die ein Hotel mit ihrem Service zu dem
machen, was es ist.
An diesem Freitag, 14. Dezember, um 12 Uhr, ist es so weit: Der
Hotelverband Playa de Palma weiht auf der Plaza Juan y Luis Riu an
der Playa de Palma die Statue „Benvinguts” (Willkommen) des
Künstlers Jaume Mir ein. Damit sollen alle Mitarbeiter geehrt
werden, die zur Entwicklung der Hotellerie auf Mallorca beigetragen
haben.
Dabei wird auch José María Alvarado sein. Wenn es seine
Gesundheit erlaubt, denn der 73-Jährige hat ein schwaches Herz.
Bereits 1951 trat er seinen ersten Job in einem Hotel an, und zwar
am Empfang im Hotel Palma an der Plaza de las Columnas im Zentrum
der Stadt. Zur Schule war er ganze drei Monate gegangen, als
Bürgerkriegsflüchtling in Frankreich hütete er stattdessen Kühe in
den Alpen bei Grenoble.
Es waren seine Sprachkenntnisse, die ihm dem Job ermöglichten:
Französisch sowieso, Englisch brachte er sich während des
Militärdienstes selbst bei. Ein Jahr später ging er nach Madrid.
Die versprochene Stelle gab es nicht, also suchte er sich wieder
Arbeit im Hotel. Dort lernte er den Direktor des Gran Hotels in
Palma kennen, der „mir den Stil beibrachte, den man als
Empfangschef braucht”, erinnert sich der in Arenal lebende
Pensionär. Hotelfachschulen gab es in Spanien noch nicht.
Nach einigen anderen Jobs lockte ihn der ehemalige Direktor des
Hotels Palma wieder nach Mallorca, und zwar als Empfangschef ins
Copa Cabana an der Playa de Palma. Nach einigen Jahren wechselte er
ins Nixe Palace, das Luxushotel in Calamajor. „Da habe ich viel
gelernt, unter anderem Deutsch.” Nach einigen Jahren war er des
langen Weges von Arenal, wo er damals schon wohnte, nach Calamajor
überdrüssig und kündigte.
Er strich ein Badezimmer im Hotel San Francisco, dem ersten der
Familie Riu, als er Luis Riu traf – und ihn fragte, ob er keinen
Empfangschef brauche. Wegen der vielen Sprachen, die er konnte,
engagierte der ihn vom Fleck weg. „Ich war der einzige, der Deutsch
konnte”, erzählt der aus Cartagena stammende Alvarado, „manchmal
musste ich von zu Hause aus per Telefon übersetzen, wenn ein Gast
etwa ein Frühstück bestellen wollte”.
Bezahlt wurde gut, „ich habe viel verdient und viel ausgegeben”,
vor allem aber für heutige Verhältnisse unglaublich viel
gearbeitet. „Oft habe ich um acht Uhr morgens meinen Dienst
angetreten, mit wenig Pause ging es zum Teil bis weit nach
Mitternacht”. Das blieb nicht ohne Folgen. „Ich war auch verrückt,
hatte gleichzeitig zwei Nebenjobs. Mit 40 bekam ich einen
Herzinfarkt.”
Nach sechs Monaten ging er wieder zur Arbeit, war unter anderem
Direktor, später zuständig für die Kontrolle der Direktoren.
„1961”, so eine seiner Anekdoten, „begutachtete uns eine
Unternehmensberatung. Am Ende haben sie Luis Riu gesagt, dass sie
unser System nicht verstünden. Wahrscheinlich hatten wir keins,
aber wir haben gut gearbeitet und das Unternehmen viel Geld
verdient”.
Nachdem er 1975 arbeitsunfähig und 1983 wieder arbeitsfähig
geschrieben wurde, war José María Alvarado wieder einer der
Pioniere: „Auf den Kanaren half ich Riu, die ersten Hotels zu
eröffnen, weil es auf jenen Inseln niemanden gab, der die formelle
Ausbildung zum Hoteldirektor hatte – das war dann schon nötig.”
1987 ging Alvarado endgültig in den Ruhestand, jetzt machte
die Wirbelsäule nicht mehr mit. An Beschäftigungsmangel leidet er
nicht: Jetzt hat er Zeit, sein großes Hobby zu pflegen, das er von
frühester Jugend an hat: die Malerei. Die Wohnung ist so voll
damit, dass er Bilder verkaufen will. Erinnerungen werden auch
verarbeitet: zu Kurzgeschichten und Romanen, die er am Computer
schreibt.
Kürzer als die Karriere José Maria Alvarados war die von Rosario
Calderón. Die heute 55-Jährige fing mit 16 als Zimmermädchen im
Hotel San Francisco an. Sie blieb bis 20 – dann heiratete sie.
Gearbeitet wurde das ganze Jahr – bis auf vier Wochen Ferien ist
das wörtlich zu nehmen. Jeden Tag ging es um sieben los, Feierabend
war um 19 Uhr. Frei gab es lediglich einen Nachmittag. Dennoch sagt
die gebürtige Andalusierin aus Málaga: „Die Arbeit hat immer Spaß
gemacht”, und wenn man die Fotos in ihrem Album sieht, glaubt
man's: Sie zeigen sie im Kreise von Kollegen, und immer sind alle
fröhlich.
Keine Probleme gab es mit den meist deutschen Gästen. „Ich kann
zwar kein Deutsch, aber man verstand sich auch so”, berichtet sie
mit einem Lächeln, „und die Klienten waren immer freundlich”. Das
berichtet auch Ángel Martínez. „Damals waren es noch Herren, ganz
anders als heute”. Meistens habe es sich ältere Gäste gehandelt,
„Jugendliche kamen nur in Begleitung ihrer Eltern”. Also gab es
auch keine durch den Alkohol begünstigten Auswüchse, wie sie heute
gang und gäbe sind.
Martínez fing 1959 im zarten Alter von 13 als Page im Hotel San
Francisco an. Pagen gibt es schon lange nicht mehr, „und heute
achten Gewerkschaften auf die Einhaltung der Arbeitszeiten, damals
undenkbar”, so der Mallorquiner, der seit 1981 das Reisebüro
Eurosun betreibt. Der Page arbeitete sich zum Assistenten, dann zum
Concièrge und Empfangschef hoch. Arbeitstage von 14 oder 16 Stunden
waren normal, aber das schien niemanden zu stören. „Wir waren
privilegiert”, sagt Martínez heute, „wir interessierten uns nicht
einmal für das Gehalt”. Schließlich konnte man mit Trinkgeldern und
Provisionen für den Verkauf von Ausflügen leicht mehr verdienen als
auf dem Lohnzettel stand.
Das reichte dicke über die Wintermonate, in denen das Hotel
schloss. „Wir lebten wie die Könige”, auch wenn die
Hotelangestellten in seinem Heimatort Llucmajor argwöhnisch beäugt
wurden. „Wir galten als sehr merkwürdig, schließlich hatten wir
Kontakt zu ausländischen Frauen.”
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