Von Rechts wegen muss nicht viel draufstehen: Die Weinverordnung
der Europäischen Union schreibt vor, dass die Etiketten von
Weinflaschen lediglich Namen und Sitz des Abfüllers,
Qualitätskategorien wie etwa Tafelwein oder Crianza sowie den
Alkoholgehalt und die Inhaltsmenge anzuzeigen haben. Die übrige
Gestaltung des Papiers auf der Flaschenfront ist Geschmackssache.
Ein Freiraum, den auch auf Mallorca mehr und mehr Weinproduzenten
zu nutzen wissen für kunstvolle Malerei-Motive.
Jüngstes Beispiel der sinnlichen Verbindung von Winzer– und
Kunsthandwerk ist der neue Reserva 1998 aus dem Hause Macià Batle.
Für die „Bekleidung” des Tinto aus Manto-Negro– und Callet-Trauben
gewann die Bodega den Maler Joan Bennàssar. Der Kreative aus
Pollença, der zu den renommierten Künstlern in Spanien zählt,
kreierte das Konterfei eines mediterranen Jünglings in Farben, die
„den September, den Weinstock, das Meer und die Erde anklingen
lassen”. Der mineralisch anmutende Hintergrund ist zusätzlich
reliefartig gestaltet, um die Bildprofile zu verstärken.
Die Zusammenarbeit der Bodega mit Bennàssar wurde vor drei
Jahren vereinbart, als die Ernte des '98er Jahrgangs in die neue
Kellerei in Santa Maria eingelagert wurde, berichtet der
Geschäftsführer des Familienunternehmens, Miquel Batle Pastor.
„Wein und Kunst, das geht wunderbar zusammen. Ein guter Tropfen und
ein gelungenes Bild sind beides Kunstwerke”.
Als erster Winzer Mallorcas, der nicht nur auf seine
Weinerzeugnisse, sondern auch auf die Gestaltung der
Papierschildchen besonderes Augenmerk legte, gilt Toni Gelabert aus
Manacor. „Wenn ich könnte, würde ich auf das Etikett auch noch
Musik packen”, schwärmt der 48-Jährige von der Kombination der
schönen Künste mit dem flüssigen Gold. 1988 präsentierte Gelabert
erstmals einen Chardonnay, dessen Etikett ein Werk des Insel-Malers
Josep Canyelles Sabater zierte. Seitdem hat Gelabert zahlreiche
Künstler des Archipels für seine Produkte gewinnen können. „Ich
will keine gemalten Weinranken oder so. Ansonsten haben die
Künstler freie Hand.” Der Ursprung, Kunst– und Gaumenfreuden
emblematisch auf wenigen Quadratzentimetern zusammenzuführen, ist
in der Heimat der ultimativen Genüsse, Frankreich, entstanden. 1924
entschloss sich Baron Philippe de Rothschild, seine Weine nicht
mehr im Fass, sondern in der der Flasche zu vermarkten. Zur
Gestaltung des Etiketts engagierte er einen Graphiker. Seit 1946
trugen die Etiketten Bildnisse von unter anderem Dalí, Miró,
Chagall, Kandinsky und Picasso.
In Italien und Deutschland wurde der Trend vor gut einem
Jahrzehnt verstärkt aufgegriffen. „Das ist eine globale
Entwicklung, die auf Mallorca nur zeitverzögert eingesetzt hat”,
sagt der Palmesaner Weinhändler Juan Luis Pérez de Eulate (La
Vinoteca). „Das ästhetische Aussehen der Flaschen soll den
Kaufanreiz verstärken.” Ähnlich sieht es der deutsche Weinhändler
Norbert Deingruber in Manacor (Casa del Vino). Die mallorquinischen
Weine haben sich in den vergangenen nicht nur qualitativ gewaltig
zum Guten verändert, so Deingruber. Auch auf Etikett und Aussehen
werde nun viel mehr Sorgfalt verwandt. Der Kunde greife bei
gleichwertigen Weinen klar zur schöneren Flasche: „Das ist so wie
bei Zigaretten oder Zahnpasta.”
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