Haialarm in der Bucht von Palma: Am Donnerstag vergangener Woche
meldeten Badegäste, dass sie im Wasser vor dem Balneario 13 einen
großen Fisch mit einer aufragenden Rückenflosse entdeckt hätten.
„Blauhai 60 Meter vom Strand bei Arenal gesichtet” titelte die
Tagespresse am Freitag. Am Tag darauf dann die Entwarnung: Statt
eines gefährlichen Räubers war der Guardia Civil ein harmloser
Mondfisch ins Netz gegangen, der tot an der Oberfläche trieb.
Nicht immer handelt es sich um falschen Alarm: Laut Biologen
sind in den Balearengewässern 30 bis 40 Haiarten zu finden. Die
meisten Spezies sind für den Menschen ungefährlich. Trotz Millionen
von Menschen an den Stränden ist von einer Hai-Attacke an der Küste
Mallorcas nichts bekannt. Dennoch sitzt bei manchem die irrationale
Angst vor dem eiskalten Killer aus Spielbergs Kinofilm „Der weiße
Hai” tief im Nacken. Die tatsächlichen – weitaus unspektakuläreren
– Gefahren werden dagegen oft außer Acht gelassen: Verätzungen
durch Quallen und kleine Verletzungen durch Seeigel sind an der
Tagesordnung und wären doch vermeidbar.
Zu vermeintlichen und tatsächlichen Haisichtungen kommt es immer
wieder auf und um Mallorca. Im vergangenen Jahr wurde ebenfalls an
der Playa de Palma angeblich mehrere Tage lang immer wieder ein
Blauhai (spanisch „tintorera”, gefährliche Haiart, die bis vier
Meter erreichen kann) in der Nähe des Strands gesehen – allerdings
ohne dass der Fisch gefangen und damit eindeutig identifiziert
werden konnte.
Erst Anfang Juni harpunierten Sicherheitskräfte ein
Drei-Meter-Exemplar, das etwa 100 Meter vom Strand gesichtet worden
war. Aus Angst, das Tier könnte Badegäste verängstigen oder gar
verletzen, tötete man den Hai. Laut Fischerei- und
Landwirtschaftsministerium soll es sich dabei allerdings um einen
Riesenhai (span. „peregrino”, wird bis zu 13 Meter lang) gehandelt
haben, der sich von Plankton ernährt und für den Menschen nicht
gefährlich ist.
Ein solches Exemplar mit sieben Metern hatten Fischer erst
wenige Wochen vorher bei Pollença tot aus dem Netz gefischt.
Mallorcas Touristiker hatten sich im Anschluss über die
„Bild”-Zeitung beschwert: Das Sensationsblatt hatte die Nachricht
vom Riesenhai auf Mallorca mit dem Foto einer anderen, gefährlichen
Haiart verkauft. Das sei nicht gerade geignet, den stockenden
Verkauf von Mallorcas Betten in Deutschland anzuregen.
Das Thema Haie ist ein sensibles, dort wo Einnahmen und
Arbeitsplätze ans Image von sicheren Badestränden gebunden sind.
Jahrzehntelang sprach man auf Mallorca nur mit vorgehaltener Hand
über die Funde der Fischer und die Forschungsergebnisse der
Wissenschaftler. Genaue Erkenntnisse über die Population der
verschiedenen Haiarten im Balearengewässer liegen noch nicht vor,
sagt ein Biologe, der daran zusammen mit anderen Kollegen arbeitet.
Seinen Namen möchte er nicht in der Presse genannt wissen: Da er in
einer Gruppe arbeitet, wolle er wolle sich nicht als Haiexperte
hervortun.
Wie viele Haie sich im Mittelmeer und rund um die Baleareninsel
tummeln, könne er nicht einmal schätzen. Zum einen gebe es für
solche Studien keine Gelder – da Haie im Gegensatz zu anderen
Fischarten keine kommerzielle Bedeutung darstellen. Zum anderen sei
es sehr schwierig, Daten zu sammeln, weil Haie enorme Distanzen
zurücklegen und sich in der Regel am Meeresgrund in größeren Tiefen
(bis zu 400 Meter) bewegen. Für Fischer sind Haie bis auf wenige
Arten lediglich wertloser „Bycatch”.
Die in Balearengewässern häufigste Haiart sei der Kleine
Katzenhai, der fast täglich auch in Palmas Markthallen zu finden
ist. Er lebt in der Nähe von felsigen Küsten und wird bis knapp 60
Zentimeter lang. Auch der bis zu 1'50 Meter lange Große Katzenhai,
der ein beliebtes Jagdobjekt für Hobbyfischer ist, komme
einigermaßen häufig vor. Beide Arten sind für Menschen
ungefährlich. Auch der ungefährliche südliche Glatthai, der sich
von Krabben und Krebsen ernährt, gehöre zu den häufigeren
Haiarten.
„Potentiell gefährlich werden” könnten laut dem mallorquinischen
Biologen vor allem drei Haiarten im Balearengewässer: besagter
Blauhai, der in der Regel im offenen Meer lebt, gelentlich aber in
der Nähe von Küsten gesichtet wird. Auch der Mako nähere sich nur
selten der Küste. Er wird bis zu vier Meter lang und gilt als der
schnellste unter den Haien. In anderen Teilen der Welt wurden
Angriffe auf Fischer in kleinen Booten bekannt. Vorkommen könne
auch der Atlantische Braunhai, der sich manchmal in küstennahen
Gewässern aufhält. Attacken auf Menschen seien von diesem nicht
bekannt.
Über den gefürchteten Weißhai gibt es laut dem Biologen keine
gesicherten Erkenntnisse. Eine der Theorien der Wissenschaftler
besagt, dass sie zur Reproduktion vom Atlantik zur Adria ziehen –
und somit die Balearen auf ihrem Weg passieren müssten. Auf
Mallorca soll das bis zu zehn Meter lange Tier, das sich von
Delfinen, Robben und anderen Haien ernährt, noch nie gesichtet
worden sein.
Auch zur Frage, warum sich manche Tiere den Küsten nähern,
obwohl sie eigentlich das offene Meer bevorzugen, gebe es nur
Hypothesen. Es werde vermutet, dass sie auf der Jagd nach Futter
Fischschwärme verfolgen. „Sie machen aber sicher keine Jagd nach
menschlicher Beute.”
Im Gegenteil: Der Mensch ist der größte Feind des Hais. Durch
Überfischung generell, durch Schleppnetze, die über den Meeresgrund
geschleift werden, und durch Methoden zur Thunfisch– und
Schwertfischjagd sei der Bestand im Mittelmeer stark
zurückgegangen.
Von den rund 30 Haiarten im balearischen Gewässern sei etwa die
Hälfte vom Aussterben bedroht.
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