Die Gewässer an den meisten Stränden Mallorcas sind im Sommer,
verglichen mit anderen, relativ ungefährlich. „Starken Wellengang
gibt es eigentlich nicht, aber an einigen Stellen gefährliche
Strömungen”, sagt José Antonio Pérez de Mendiola, Generaldirektor
für Koordination im balearischen Tourismus-Ministerium. Dennoch
ereignen sich auf den Inseln jährlich immer wieder schwere
Badeunfälle. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass ein Urlauber in den
Gewässern der Insel stirbt. In einer gemeinsamen Initiative haben
jetzt die Ministerien für Tourismus und Inneres mit bisher schlecht
ausgestatteten Gemeinden die Ausrüstung für Erste Hilfe und die
Zahl professioneller Retter aufgestockt.
Die Statistiken über Badeunfälle vermitteln nur ein unscharfes
Bild über die Gefahrenlage. Zwischen 30 und 70 schwankt die
jährliche Zahl der Toten, die genannt wird. Das Problem beginnt bei
der Definition. „Fast niemand ertrinkt, weil das Meer gefährlich
ist”, sagt Manuel Barné, der Koordinator für die Rettungskräfte in
Calviá. Häufig erliegen die Opfer im Wasser einer Vorerkrankung –
vielfach sind es Herz-Kreislaufleiden, die dann zum Tode führen.
Auch der schnellste Notarzt kommt dann zu spät.
„Solche Unfälle gibt es oft in Peguera, weil es dort viele
ältere deutsche Gäste gibt”, erklärt Manuel Barné. „Oft passiert
es, dass sie ihre Kräfte überschätzen, dann kann es leicht zu
Unfällen kommen.”
Leichtsinn ist es, der auch viele jüngere Schwimmer in „Seenot”
bringt. Dass die rote Fahne Badeverbot bedeutet, ignorieren
weiterhin viele Badegäste. Bei gefährlichen Strömungen und Winden
schaffen dann auch trainierte Menschen den Rückweg nicht mehr.
Der Strand von Son Bauló, östlich von Ca'n Picafort, ist so ein
Punkt. Von 130 Rettungseinsätzen im vergangenen Jahr fuhren die
Standwächter des Roten Kreuzes allein 47 in Son Bauló. „Ereignet
haben sich diese Unfälle fast alle bei roter Fahne”, sagt Victoria
Avella, die die Einsätze der Cruz Roja koordiniert. Diesen Grund
hatte auch der schwerste Unfall der letzten Jahre – 1995 ertranken
am Strand von Sa Coma an einem Tag fünf deutsche Touristen.
Doch die Chancen, im Ernstfall auf schnelle und professionelle
Hilfe zählen zu können, sind auf Mallorca bislang sehr
unterschiedlich. Wer etwa in Calvià verunglückt, hat schon seit
Jahren hervorragende Chancen, von einem personell wie technisch gut
ausgerüsteten Team versorgt zu werden. Besonders schlecht waren
bislang die Chancen am wilden Strand von Es Trenc, der über keine
Rettungsmittel verfügte.
„Mit der Strandsicherheit ist das so eine Sache”, meint Manuel
Suárez Salvá, der Dezernent für Zivilschutz in Calvià. „Man muss
viel zahlen, bekommt aber nichts zurück.” Seine Gemeinde, die viele
Einnahmen aus dem Tourismus erzielt, kann es sich erlauben, die
Strände gut auszustatten. Die Verwaltung vergibt Konzessionen für
Gastronomie, Liegen und Sonnenschirme, verpflichtet die
Vertragspartner, die Sicherheitskräfte unter Vertrag zu nehmen.
Für eine Landgemeinde wie Campos, in deren Gebiet der
kilometerlange Es Trenc-Strand liegt, ist eine solche Investition
nur schwer zu leisten, weil es eine derartige Infrastruktur nicht
gibt.
„Diese Situation musste sich verbessern”, sagt José Antonio
Pérez de Mendiola. Deshalb hat die Regierung in diesem Jahr 90
Millionen Pesetas, umgerechnet rund 1'06 Millionen Mark, in die
Verbesserung der Sicherheit investiert. Zuvor war ein Pilotversuch
auf Formentera und am Strand von Son Baulo auf Menorca erfolgreich
verlaufen.
„Zunächst ist es wichtig, zu informieren”, sagt Pérez de
Mendiola. In Auflage von 700.000 Stück wurden Faltblätter gedruckt,
die Touristen in Hotels, Rathäusern und Touristen-Informationen auf
die Ausstattung der Strände hinweisen. Zusätzlich stehen
Informationstafeln an den Stränden von Alcúdia, Muro, Santa
Margalida und Campos. Mit zusätzlichen Info-Anschlägen werden
Papierkörbe versehen. Rettungsringe hängen in regelmäßigen
Abständen, die ersten Strände werden bald auch mit solarbetriebenen
Notruf-Säulen ausgerüstet, über die der Notruf 112 mehrsprachig
alarmiert werden kann. Ein Jetski mit Rettungsbahre für die Strände
von Alcúdia übergab Balearen-Präsident Francesc Antich vor zwei
Wochen persönlich.
Zusätzlich sorgen die Gemeinden für Rettungsschwimmer. Alcúdia
verstärkt seine fünf hauptamtlichen Kräfte am Wochenende durch
ehrenamtliche Helfer vom Zivilschutz, Muro zahlt für fünf Retter,
und Campos will für Es Trenc ebenfalls fünf Strandwächter zur
Verfügung stellen.
Andere Gemeinden haben schon länger mit dem Roten Kreuz Verträge
über Personal und Material geschlossen. Palma, Andratx, Sóller,
Capdepera, Santa Margalida und Manacor zählen auf 45
Rotkreuz-Mitarbeiter für die Strandbewachung. Allein zehn sind für
die Playa de Palma abgestellt, dort hat die Organisation zusätzlich
einen eigenen Rettungswagen stationiert. „Alle haben eine 85
Stunden dauernde Ausbildung mit entsprechenden Rettungsübungen
absolviert”, versichert Koordinatorin Victoria Avellá. Viele, die
für den Sommerjob eingestellt werden, sind Studenten.
„Es wird immer schwieriger, Leute zu finden”, klagt Avellá.
Nicht nur, weil Freiwillige knapp werden und mit dem Wegfall der
Wehrpflicht keine Zivildienstleistenden mehr zur Verfügung stehen.
Für 120.000 Pesetas Lohn, umgerechnet rund 1400 Mark, findet sich
kaum Nachwuchs. In die Bresche springen in den letzten Jahren immer
mehr Argentinier. „Hervorragend ausgebildete Profis”, lobt Avellá.
Sie nutzen den südamerikanischen Winter zur Saison-Arbeit auf den
Balearen.
Die 90 Millionen Pesetas sollen keine einmalige Investition
bleiben, sagt Pérez de Mendiola vom Tourismus-Ministerium. „Im
nächsten Jahr soll die gleiche Summe im Haushalt stehen.” Denn zu
tun gibt es noch genug. An den Buchten der langen Tramuntana-Küste
etwa wacht allenfalls der Kioskpächter über die Sicherheit der
Badegäste.
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