In dunkler Hose und schwarzem Lacoste-Hemd erwartet der junge
Regierungschef der Balearen, Francesc Antich, den deutschen
Bundeskanzler Gerhard Schröder, der gerade seinen Sommerurlaub auf
Mallorca verbringt, und den er zu einem Höflichkeitsbesuch mit
Mittagessen zu zweit eingeladen hat.
Der Treffpunkt ist gut gewählt. Das Landhotel Vistamar in der
Nähe von Valldemossa kann man ruhig als Kleinod bezeichnen. Vor dem
Haus wartet Antich, umgeben von vielen Journalisten.
Mit deutscher Pünktlichkeit kommt der Wagen des Bundekanzlers
Schlag 14 Uhr an. Die Essenszeit ist spanisch. Gerhard Schröder
steigt aus, auch er ist urlaubsmässig mit hochgekrempeltem Hemd
angezogen. Nach der kurzen Begrüßung am Eingang des Hauses geht der
Bundeskanzler fast im Laufschritt durch das Haus zur rückwärtigen
Terrasse, gefolgt vom Journalistentross.
Gerhard Schröder kennt offensichtlich noch den Weg zu einem
Aussichtspunkt, von dem aus man eine herrliche Sicht über das blaue
Meer und den Port de Valldemossa zu Füßen des Betrachters genießen
kann. Dort werden die beiden Regierungschefs händeschüttelnd
ausgiebig fotografiert. Aber der Aussichtspunkt ist praktisch eine
Sackgasse. Der Bundeskanzler kann den Fragen der Journalisten nicht
ausweichen. Weltbewegendes wird er jedoch nicht gefragt: Warum
gerade Mallorca, und was ihm an Mallorca besonders gut gefiele,
wollte ein deutscher Fernsehreporter wissen. Nun, er kenne schon
Mallorca und habe hier bereits vier oder fünfmal Urlaub gemacht,
eben weil ihm die Insel so gut gefällt. Vor allem das Wetter, die
Sonne und die Landschaft, die unbedingt stärker geschützt werden
sollte.
Mehr Fragen lässt Schröder nicht zu. Und schon geht es zurück
auf die Terrasse, wo im Schatten eines riesigen Baumes der Tisch
gedeckt ist. Beide Regierungschefs scheinen sich mit Hilfe eines
Dolmetschers ganz angeregt zu unterhalten, was sie nicht daran
hindert, eine Vorspeise mit saftigen Krevetten und einen Fisch nach
mallorquinischer Art als Hauptgericht zu verzehren. Zum Trinken
gibt es einen weißen Chardonnay.
Man muss annehmen, dass sie ihre Erfahrungen im Umgang mit den
Grünen als Koalitionspartner ausgetauscht haben. Schließlich gibt
es nicht sehr viele Beispiele einer solchen Koalition in
Europa.
Beim Kaffee kommt plötzlich Bewegung in die Reihen der
Journalisten. Der Kanzler winkt eine Kellnerin heran, die danach zu
einem Tisch geht, wo ein spanischer und ein deutscher Journalist
sitzen, die dann aufstehen und am Tisch des Kanzlers Platz nehmen.
Anscheinend ist der deutsche Journalist mit dem Bundeskanzler
persönlich befreundet, und sein spanischer Kollege hat, für ihn
völlig unerwartet, davon profitiert. Die anderen aber sind sauer:
,,Warum die beiden, und wir nicht?"
Am abseitigen ,,Regierungstisch” hat man diesen Eindruck aber
gar nicht. Gerhard Schöder scheint sich aber recht wohl in seiner
Haut zu fühlen. Der Herr des Hauses hat ihm eine Havanna angeboten,
die er genüsslich raucht. Er plaudert noch eine Weile, aber dann
steht er plötzlich auf und verabschiedet sich schnell von seinem
ein wenig verdutzten Gastgeber. Der Kanzler hat sich zweieinhalb
Stunden lang sichtlich wohl gefühlt. Aber jetzt wartet die Familie
auf ihn. Er wehrt die Fragen der aufgescheuchten Journalisten ab
und entweicht.
Anders als zunächst vermutet, muss der Kanzler seinen
Sommerurlaub nicht unterbrechen. Die Trauerfeier für die Opfer des
Concorde-Unglücks findet nach einer Entscheidung des Erzbistums
Köln am 18. August im Kölner Dom statt. Schröders Urlaub endet am
17. August.
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