Vor einigen Jahren träumte der Künstler Noé Martínez immer wieder, dass er ein Sklave war und, mit Ketten gefesselt, sich vom Hafen zum Sklavenmarkt schleppen musste. Dieser Albtraum begann, als er anfing, die Geschichte seiner Familie zu recherchieren. Martínez wurde 1986 in Morelia, der Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Michoacán, geboren, und mit „uns” meint er das Volk der Huasteken, das seine Ursprünge im präkolumbischen Mesoamerika hat. Zwischen 1519 und 1530 drangen dann die spanischen Eroberer in das Land der Huasteken vor. Über drei Jahrhunderte hinweg verkauften sie viele Einwohner als Sklaven, vor allem für den Zuckerrohranbau in die Karibik.
Die kaum bekannte Geschichte der Versklavung der Huasteken und anderer indigener Völker zu erforschen und sichtbar zu machen, hat sich Martínez in den vergangenen Jahren zur Aufgabe gemacht. Mit seinen Werken wirft er einen kritischen Blick auf die Interpretation der Vergangenheit und die Konstruktion der Gegenwart. Das gilt auch für seine Ausstellung „El hierro y el tabaco”, die am Donnerstag, 19. Januar, von 18 bis 21 Uhr in der Galerie Kewenig in Palma eröffnet wird. Eisen und Tabak, Brandeisen und Heilpflanze, damit sind die Pole der Schau definiert. Sie ist eine Kooperation zwischen der Galerie Llano in Mexiko- Stadt, der Galerie Kewenig und dem CCA Andratx, wo Martínez im Rahmen einer Künstler-Residenz seine Werke für sein Ausstellungsdebüt in Palma vorbereitet hat.
Fünf Arbeiten hat er im CCA geschaffen, für die er vier Grundfarben verwendet hat: Rot, Gelb, Schwarz und Weiß. Diese Farben entsprechen nicht nur verschiedenen mexikanischen Maissorten, sondern auch den Himmelsrichtungen in einem Schema von der kosmischen Aufteilung Mesoamerikas: Rot steht für den Osten, dem Gebiet der Huasteken, Gelb für den Süden, Schwarz für den Westen und Weiß für den Norden. Die Grundfarbe der fünften Arbeit ist wieder Rot – eine Rückkehr an den Ausgangspunkt. „Die Farben stehen dafür, wie meine Vorfahren durch die Sklaverei gegangen sind”, erklärt Martínez. „Jedes Exponat erzählt ihre Geschichte, nur nicht mit Worten, sondern mit den Elementen, die sie enthalten. Da verweist das Zeichen auf einem Wäschestück auf die Tätowierungen der Huasteken, erfahren Kristallketten, die von den Haciendas europäischer Eroberer stammen könnten, eine andere Aufladung, weil auch die huastekischen Schamanen Kristalle zum Wahrsagen verwendeten.
Auch Brandeisen mit den Buchstaben „G” und „R” hat sich Martínez für die Ausstellung in Palma fertigen lassen. „,G‘ stand für ,Guerra’ und wurde Kriegsgefangenen und Piraten eingebrannt”, erklärt er. Das „R” war für die indigenen Sklaven vorbehalten. Zynischerweise stand es für „Rescate”. Gemeint war die Rettung der „heidnischen” Seele durch das Christentum. Alle Werke von Martínez basieren auf akribischen Recherchen in Archiven über die Geschichte der huastekischen Sklaven. Unter anderem hatte er auch das Archivo General de Indias in Sevilla besucht. Als er von dort zum Hafen an der Flussmündung lief, sah er Orte, die ihm schon einmal begegnet waren: in seinem Albtraum. Für den Künstler sind Träume „ein Raum tiefen Wissens, er ist unsere Videothek, das Archiv, wo wir unsere Geschichte finden können”.
Von der Kunst zum Tanz: Eine zeitgenössische Version des Balletts „Schwanensee” mit dem Titel „El Lago” steht am Sonntag, 22. Januar, auf dem Spielplan des Teatre Principal in Inca. Aufgeführt wird sie von Lamov. Diese Kompanie aus Zaragoza hat nicht nur an den bedeutendsten Häusern Spaniens gastiert, sondern auch in den USA, Frankreich, Italien, Großbritannien, Deutschland und Portugal. Die Choreografie des Stücks hat Víctor Jiménez entworfen. Der einstige Solist des Béjart Ballet Lausanne und des Balletts der Oper von Lyon ist seit der Gründung von Lamov im Jahr 2008 dessen künstlerischer Leiter. Mit dem Stück greift er das Paradigma des russischen Balletts auf, dessen Merkmal das Experimentieren mit Rhythmen, Bewegungen und Lichtarchitekturen ist.
Weit entfernt vom Erzählstrang des Klassikers, der sich auf die Tragödie einer unmöglichen Liebe konzentriert, handelt „El Lago” von der Dualität des Scheins und des authentischen Selbst, von der Gesellschaft als vermeintlichem Zufluchtsort weißer Schwäne, an dem der schwarze Schwan rebelliert, indem er sich des Scheins entledigt, um die Wahrheit und die Freiheit zu erreichen. Mit dem Stück, das von der physischen, plastischen und interpretatorischen Überlegenheit des Corps de Ballet zeugt, will Jiménez, dass die Tänzer die majestätische, reine und schöne Stille des Schwans in Bewegung umsetzen und ihn mit seiner wildesten Seite konfrontieren. Die Aufführung beginnt um 18 Uhr, Karten für 15 Euro gibt es hier.
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