Stephan Matthias Lademann: "Man muss die Liebe zum Gesang mitbringen, auch wenn man selbst nicht singt." | Archiv

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Mallorca Magazin: Herr Lademann, was führt Sie nach acht Jahren erneut zu Música Mallorca nach Palma?

Stephan Matthias Lademann: Ich hatte das Vergnügen, schon mehrmals mit Liederabenden bei Música Mallorca aufzutreten, nicht zuletzt mit Diana Damrau, aber auch mit einer Meisterklasse mit Siegfried Jerusalem, den ich damals an Toyo Tanaka und Wolf Bruemmel weitergeleitet hatte. Seither war ich den beiden Gründern dieser großartigen Initiative immer freundschaftlich verbunden und finde es bewundernswert, wie lange sich das Festival erfolgreich gehalten und vor allen Dingen etabliert hat. In einer Zeit, in der überall gespart wird, ist es nicht leicht und überhaupt nicht selbstverständlich, in dieser Form Kultur zu machen und vor allen Dingen zu erhalten. Deswegen ist es mir eine große Freude, wieder dabei zu sein.

MM: Sie haben sich schon während des Studiums auf die Klavierbegleitung konzentriert. Was ist für Sie das Besondere an dieser Disziplin?

Lademann: Ich habe zuerst Klavier studiert und danach ein zweites Studium für Liedbegleitung, Cembalo- und Instrumentalbegleitung absolviert. Das Zusammenspiel im kammermusikalischen Rahmen und vor allem bei der Liedbegleitung hat mir damals nach meinem ersten Studium einen neuen Horizont eröffnet. Das war eine neue Welt, wo ich das Gefühl hatte, dass ich mich musikalisch einfach besser ausdrücken konnte.

MM: Worin unterscheidet sich das Zusammenspiel mit Sängern und Instrumenten?

Lademann: Bei beidem muss man sich mit seinem kammermusikalischen Partner zusammenfühlen und zusammenhören. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass man gemeinsame Interpretationen kreiert und aufeinander reagiert. Der große Unterschied beim Lied liegt ganz klar darin, dass wir einen weiteren Anhaltspunkt haben, nämlich den Text, der Priorität hat.

MM: Welche Fähigkeiten zeichnen einen guten Liedbegleiter aus?

Lademann: Man muss die Liebe zum Gesang mitbringen, auch wenn man selbst nicht singt. Man muss sich einstellen können auf eine Sängerpersönlichkeit und deren interpretatorischen Ansatz, auch auf die gegebenen gesangstechnischen Möglichkeiten, weil alle Sänger verschieden sind. Man muss sich auf die individuellen stilistischen Manierismen einstellen, wobei Manierismen durchaus im positiven Sinn gemeint ist. Und nicht zuletzt muss man sich in den jeweiligen Menschen einfühlen können. Gleichzeitig muss man seinen eigenen musikalischen und interpretatorischen Ansatz zusammenbringen mit dem, was der Sänger anbietet. Man muss auch in der Lage sein, gemeinsam zu atmen. Das klingt sehr esoterisch, aber es ist im sprichwörtlichen Sinne so gemeint.

MM: Man sagt immer, die Sänger werden von den Pianisten auf der Bühne getragen. Was ist damit gemeint?

Lademann: Ich habe oft erlebt, dass man als Begleiter im Idealfall noch vor den Sängern weiß, was sie wie im nächsten Moment machen und singen. In Bezug auf Agogik (leichte Veränderung des Tempos, d. Red,), auf Atmen, auf Rubati (Verlängerungen oder Verkürzung von Tönen bei insgesamt gleichbleibendem Tempo, d. Red.), auf interpretatorische Freiheiten. Wenn man sich emotional und musikalisch zusammenfindet, kann man tatsächlich fühlen, was kommen wird.

MM: Sie haben mit vielen renommierten Sängern und Sängerinnen gearbeitet. Gibt es darunter für Sie besondere Kooperationen?

Lademann: Jede dieser Zusammenarbeiten mit diesen erfahrenen und höchst professionellen Leuten hat mich künstlerisch geprägt und beeinflusst. Insofern war jede dieser Begegnungen immer eine besondere Arbeit, und ich möchte eigentlich keine dieser Erfahrungen missen.

MM: Macht es einen Unterschied, ob Sie sich mit einem Duopartner "nur" musikalisch" oder auch menschlich verstehen?

Lademann: Absolut, eine persönliche und freundschaftliche Verbindung in einer anhaltenden Zusammenarbeit wird sich immer positiv auf ein musikalisches Ergebnis auswirken. Es geht bei uns oft um sehr persönliche Ansichten, um Emotionen. Man unterhält sich ja über die Poesie, und im Grunde dreht es sich immer um das Finden einer gemeinsamen Interpretation oder Herangehensweise an Texte. Da fließen im Idealfall viele persönliche Momente ein, die man natürlich viel besser austauschen kann, wenn man jemanden wirklich gut kennt.

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MM: Welches Für und Wider sehen Sie da in langjährigen musikalischen Verbindungen?

Lademann: Eine langjährige Bindung an ein und denselben Partner hat sicher Vorteile. Es entstehen dann Duos, die total und ausschließlich auf sich eingestellt sind. Aber das ist heute, im Zeitalter, in dem Künstler ein sehr reiseintensives Leben führen, kaum noch üblich. Heute haben fast alle Sängerinnen und Sänger mehrere Begleiter, so wie die Begleiter auch parallel mit mehreren Sängern zusammenarbeiten. Das finde ich im Sinne einer Horizonterweiterung auch gut so.

MM: In Palma werden Sie mit der Sopranistin Maia Planas, der Mezzosopranistin Waltraud Mucher und dem Bariton Tohru Iguchi auftreten. Was lässt sich da in der Kürze der Zeit gemeinsam erarbeiten?

Lademann: Ich weiß, dass alle drei Sänger professionell vorbereitet sind und dass wir uns während der drei Tage proben sehr schnell finden werden. Es geht da ja weniger um Noten als um musikalische und emotionale Aussagen. Es geht also im Grunde immer und in erster Linie um das Erzählen von Geschichten für das Publikum, wo man als Duo in relativ kurzer Zeit einen gemeinsamen Nenner finden muss. Ich glaube, das ist in drei Tagen schon ganz gut machbar.

MM: Apropos Duo: Ist es seit Ende des 18. Jahrhunderts überhaupt noch angemessen, von "Begleitung" zu sprechen?

Lademann: Ich habe mit der Bezeichnung "Begleiter" eigentlich kein Problem. Aber spätestens seit Schubert, der ja als Lied-Gigant gilt, aber eigentlich auch schon vorher bei Mozart, Haydn und Beethoven, tritt die Form des Begleitens aus einer rein harmonischen Untermalung heraus. Und in der Hochromantik ist das noch viel intensiver geworden.

MM: Was heißt das für den Part des Klaviers?

Lademann: Seit Schubert unterstreicht das Klavier quasi inhaltlich den Text. Und bei Schumann geht es noch weiter, dass man eigenständige Vor- und Zwischen- und Nachspiele hat, die manchmal fast wichtiger sind als die Lieder selbst. Das sind großartige Kunstwerke, die unmittelbar mit dem Text zusammenhängen, aber ohne Text gestaltet werden. Insofern glaube ich, dass die Bezeichnung "Lied-Duo" heute angesagter ist. Aber der Begriff "Begleiter" ist durchaus richtig, weil der Sänger natürlich in der ersten Reihe steht, und wir sitzen tatsächlich in der zweiten Reihe - aber eben mit einer wichtigen Aufgabe.

MM: Gibt es das, Spontaneität auf der Bühne?

Lademann: Das gibt es absolut. Man verlässt sich ja auch auf den Sänger oder die Sängerin. Und Spontaneität entsteht, wenn beide aufeinander hören und beide in der Musik drin sind. Da kann es durchaus sein, dass man andere Tempi nimmt oder dass die Sängerin an der ein oder anderen Stelle kürzer oder länger atmet oder Fermaten (Haltepunkte, d. Red.) macht, die man nicht unbedingt abgesprochen hat. Aber das macht es gerade spannend, wenn nicht alles klinisch rein abgeliefert wird.

MM: Gibt es für Sie eine Epoche, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Lademann: Da würde ich spontan sagen, dass das in meinem Falle die Romantik ist. Ich hänge sehr an Franz Schubert, vor allen Dingen, seitdem ich in Wien lebe. Wien gehört zu Schubert, und mit Schubert begann der Liedkosmos sich gigantisch zu erweitern. Es sind über 650 Lieder von ihm verlegt worden und komponiert hat er um die 700. Ich hänge auch sehr an Robert Schumann, der in der nächsten Generation nochmal einen Schritt weiterging, was die Klavierbegleitung betrifft. Er hat die Aufgabe, die Funktion und auch die Intensität und Eigenständigkeit des Klavierspiels nochmal erweitert. Und mich interessiert auch sehr Gustav Mahler als Spätromantiker. Er gehört ja auch zu Wien.

Festival Música Mallorca

Weiter im Festivalprogramm geht es diesen Samstag, 28. Oktober, um 19.30 Uhr mit einem Liederabend im Caixaforum. Maia Planas (Sopran), Waltraud Mucher (Mezzosopran), Tohru Iguchi (Bariton) und Stephan Matthias Lademann (Klavier) interpretieren Werke von Schubert, Schumann, Brahms, Wolf und Busoni. Karten für 12 Euro (Caixa-Kunden 6 Euro) sind bei www.proticketing.com/caixaforum_palma erhältlich.

30 Euro kosten die Karten bei Musicasa und eventim.de für das Requiem von Mozart am Mittwoch, 1. November, um 19.30 Uhr im Konservatorium in Palma (Carrer Alfons el Magnànim 64). Ausführende sind die Gesangssolisten Julia Jurgasch, Edina Bräu, Gustavo Martín Sánchez und Tohru Iguchi, der Kammerchor Straubing und das Niederbayerische Kammerorchester unter der Leitung von Stefan Frank.