Die Aufführung des Ball de bot in historischen Kostümen ist mindestens genauso sehr für Einheimische wie für Inselbesucher gedacht. | Archiv

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Sie tun es bei jeder sich bietenden Gelegenheit. In Paaren und in der Gruppe. Am liebsten auf öffentlichen Plätzen. "Der Tanz gehört zu den beliebtesten Unterhaltungen der Mallorquiner", berichtete vor mehr als Hundert Jahren der Habsburger Erzherzog Ludwig Salvator in seinem Werk "Die Balearen".

Das ist heute immer noch so. Oder wieder. Kein Gemeindefest ohne die Ballada, den Volkstanz, der sich auch bei jungen Mallorquinern großer Beliebtheit erfreut. Bekannt ist er unter dem Namen Ball de bot, zu Deutsch heißt das so viel wie Hupftanz.

"Ball de bot ist ein Oberbegriff für verschiedene Tänze. Er umfasst im Wesentlichen den Bolero, den Fandango, die Jota und die Mateixa", erklärt Linda Dankworth. Die Engländerin veröffentlichte 2010 ihre Doktorarbeit in Tanz-Ethnografie über mallorquinischen Volkstanz. Was nach verstaubter Nische klingt, ist tatsächlich Spiegel einer gesellschaftlichen Tradition, die schon fast ausgestorben war, dann wiederbelebt und modernisiert wurde.

Diese Tradition kam Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts in Form von Bolero, Fandango und Jota von spanischen Festland nach Mallorca. Bei der Mateixa dagegen wird angenommen, es handele sich um einen originär mallorquinischen Tanz. All diese Tänze verdrängten den bis dahin üblichen Kontertanz, bei denen sich in Gruppen die Tänzer paarweise gegenüberstanden.

Der Wechsel vom Kontertanz zu festen Paaren war von vielen Kirchenvertretern nicht gern gesehen. Das änderte sich erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einem viel größeren Übel: Vor allem in der Oberschicht gelangten die zentraleuropäischen Salontänze wie Walzer, Polka und Mazurka nach Mallorca, und mit ihnen zum Entsetzen des Klerus die körperliche Nähe zwischen den Tänzern. Mit einem Mal verwandelten sich selbst fundamentalistische Geistliche in glühende Verfechter des Ball de bot.

Eine Besonderheit des Ball de bot war die Versteigerung des ersten, oft auch des letzten Tanzes. Erzherzog Ludwig Salvator schrieb: "Am meisten bei der Versteigerung betheiligen sich die jungen Bauern, welche mit ihrer Geliebten tanzen oder diese tanzen lassen wollen." Linda Dankworth ergänzt: "Oft waren es die Väter, die für ihre Tochter den ersten Tanz ersteigerten."

Kein Ball de bot ohne Improvisation, und da hat die Frau die Hosen an: "Im Gegensatz zu den meisten europäischen Volkstänzen üben auf Mallorca die Frauen die führende Rolle aus, die Männer imitieren ihre Schritte", schildert Dankworth eine Eigenheit der Inseltradition.

Ab den 1920er Jahren drohten zunächst die neuen Modetänze wie Charleston, Foxtrott, Cha-Cha und Tango den Ball de bot zu verdrängen. Ihnen folgte der Franquismus mit seiner faschistischen Herrschaftsordnung. Mit ihr bemächtigte sich Sección Femenina, die Frauenorganisation der Falange des Tanzes. "Auch Männern wurden mit Restriktionen vom Tanzen abgehalten", erzählt Dankworth. In ihrer Arbeit zitiert sie den Direktor von Aires Sollerics, Guillem Bernat: "Es gab weniger tanzende Männer, weil während der Francozeit ein Bild mit der Vorstellung geschaffen wurde, wonach Männer Männer sind. Wenn sie tanzten, galten sie als homosexuell und wurden als verweiblicht angesehen."

Unter der Ägide der Sección Femenina wurde der Ball de bot choreografiert und uniformiert, öffentlich dargebracht von folkloristischen Gruppen, die auf jegliche Art der Improvisation verzichteten.

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Eine Rückbesinnung auf die alten Traditionen erfolgte nach dem Tod Francos. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Prähistoriker und Volkskundler Bartomeu Ensenyat (1917-2007) zu, der 1975 die Escola de música i danses de Mallorca gründete. Laut Dankworth eliminierte er die choreografischen Einflüsse der Sección Femenina, vereinfachte den Ball de bot und machte ihn einem normalen Publikum wieder zugänglich.

Dies sei nicht für den Tourismus gedacht gewesen: "Statt dessen wurde mit den Ballades ein zeitgenössisches Kulturerbe zur eigenen Freizeitgestaltung geschaffen, bei der es weder Touristen gibt noch folkloristische Kostüme getragen werden." Auf diese Weise, so Dankworth, diene der Ball de bot bei der Ballades nicht nur der Beziehung zwischen den Geschlechtern, sondern auch der kulturellen Identität - nicht zuletzt im Rahmen einer nationalistischen Politik.

KLEINES VOLKSTANZ-GLOSSARIUM

Ball de bot: Ins Deutsche übersetzt, bedeutet dieser Begriff "Hupftanz". Er ist ein Oberbegriff für verschiedene Volkstänze.

Ball de plaça: Ein Synonym für Ball de bot. Es nimmt Bezug darauf, dass Volkstanz auf den öffentlichen Plätzen zelebriert wird.

Bolero: Ein relativ getragener Tanz, der sich von Andalusien und Madrid aus in ganz Spanien verbreitet hat und im späten 18. Jahrhundert aus dem Kontertanz heraus entstanden ist. Ursprünglich war er ein Tanz der Oberklasse, später wurde er auch auf den Dörfern getanzt.

Bolero des vermar: Ursprünglich versammelten sich die Mallorquiner nach der Wein-, Oliven und Heuernte, um gemeinsam zu essen und zu trinken – und dann Bolero zu tanzen. Das Wort "Vermar" nimmt Bezug auf die Zeit der Weinlese. Heute dient der Bolero des vermar zu Aufführungszwecken bei Dorffesten.

Jota: Ein schnellerer Tanz als der Bolero. Die Musik dazu teilt sich ein in einen instrumentalen und einen gesungenen Part.. Fandango: Dieser Volkstanz war auf Mallorca fast schon ausgestorben und wurde durch die heutigen Volkstanzgruppen wiederbelebt.

Mateixa: Ein sehr schneller Tanz, den es nur auf Mallorca gibt. Er ähnelt der Jota.

(aus MM 42/2016)