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Konzert" leitet sich aus "concertare" ab, dem italienischen Wort für "wetteifern". Gemeint war damit im 18. Jahrhundert vor allem die Gegenüberstellung eines oder mehrerer Soloinstrumente mit einem Orchester. Eine ganz andere Art des Konzertierens erwartet das Publikum im Theater von Artà. Dort trifft am Donnerstag, 3. September, Klassik auf Klassik-Jazz.

Das Konzept ist originell. Die Klassik- und Jazzmusiker werden keine gemeinsame Session spielen. Auch unternehmen die Vertreter des jeweiligen Genres keinen Ausflug in das andere - ein Unterfangen, das nicht selten eher peinlich als gelungen wirkt. Vielmehr werden sie abwechselnd und auf ihre Weise Musik von Komponisten wie Bach, Beethoven, Debussy und Liszt interpretieren, strikt nach Noten die einen, arrangiert und mit Improvisationen die anderen.

Dieses musikalische Meeting ließe sich auch so bezeichnen: Internationale Nachwuchsmusiker der Klassik treffen auf einen Altmeister des Jazz. Auf der einen Seite der 26-jährige Ukrainer Aleksey Semenko. Spätestens seit dem Gewinn der angesehenen Young Concert Artists Auditions in New York im Jahr 2012 zählt er zu den vielversprechendsten internationalen Nachwuchsviolonisten. Zu den jüngsten Engagements des Geigers zählen seine Debüts in der Berliner Philharmonie, dem Mariinsky-Saal in Sankt Petersburg, dem Auditorium des Pariser Louvre sowie der Suntory Hall in Tokio. In Artà wird er mit seiner Klavierpartnerin Inna Firsova auftreten.

Auf der anderen Seite der Jazzpianist Manfred Kullmann, der in Artà mit dem Kontrabassisten Wojtek Sobolewski und dem Schlagzeuger Pep Luis García auftritt. Jahrzehnte hat Kullman die Jazzszene in Deutschland maßgeblich geprägt. Er war Pianist der Bigband des Hessischen Rundfunks, arbeitete mit Musikern wie Stan Getz, Billy Cobham und Chick Corea zusammen, arrangierte und komponierte. Es habe Zeiten gegeben, in denen fast jede Erkennungsmelodie von Unterhaltungsshows im deutschen Fernsehen von ihm stammten, erinnert er sich. Auch Bigbands in anderen europäischen Ländern und in Amerika spielten seine Kompositionen und Arrangements, sogar einige Sinfonieorchester in Deutschland.

Mit 60 Jahren ging Kullmann in den Vorruhestand, ließ sich Ende der 90er Jahre von seinem Segelboot bis nach Mallorca tragen - eigentlich sollte es die Karibik sein - und lebt heute in Palma und Berlin. In die Musik ist er längst wieder aktiv eingestiegen. Sein jüngstes Projekt ist "Classic goes Jazz", in das er, wie er sagt, fast sein ganzes Wissen gebe.

Mit ihm schließt sich auch ein Kreis. Denn angefangen hat Kullmann als Fünfjähriger mit klassischer Musik, was er nach dem Zweiten Weltkrieg an einem Internat fortsetzte. Jazz aus dem Radio gab es dort nicht, dafür aber ohne Ende Noten mit klassischer Musik. Und Kullmann spielte alles, was ihm in die Finger kam. "Im Internat hatte ich ja nichts anderes zu tun als Klavier zu spielen", erzählt er.

Nach der Schule kam Kullmann über die Tanzmusik zum Jazz und fand dort, was er bislang vermisst hatte: Rhythmus und Improvisation. Dass er sich Jahrzehnte später der Klassik auf ganz andere Weise wieder näherte, hatte einen traurigen Anlass. Er sollte auf einer Beerdigung spielen. Bei der Suche nach einem angemessenen Stück stieß er auf ein Prelude von Chopin. "Ich habe daraus ein richtig kleines Werk gemacht. Ich spielte erst das richtige Stück, dann meine Version", sagt er. Andere Stücke folgten, die Pathetique von Beethoven, der Liebestraum von Liszt, Stücke von Satie.

Anders als Pianisten wie Jacques Loussier oder Eugen Cicero jazzt Kullman nicht einfach drauflos. Vielmehr spricht er davon, die klassische Musik in die Sprache des Jazz zu übersetzen, manchmal auch in die des Flamenco. Kullmann beschreibt dies so: "Die Art, wie ich die Stücke auswähle und bearbeite, findet man sonst nicht. Ich schaffe es, sie im Original nicht zu verletzen, obwohl ich alles verändere."

Einige Stücke wird das Manfred Kullmann Trio mit Semenko gemeinsam aufführen. Bei diesem Zusammenspiel sind die Rollen allerdings streng getrennt. Während der Violinist sich auf die Melodie des jeweiligen Themas beschränken wird, bleibt das Improvisieren den Jazzmusikern überlassen, getreu dem Motto "Schuster bleib bei deinen Leisten".

(aus MM 35/2015)