Es macht Spaß, ihm über die Schulter zu schauen. Und Claudio Torcigliani bekommt gerne Besuch. Zwischen Carrer Sant Feliu und der Kirche Santa Creu hat er Studio, Atelier, Galerie - alles in einem: "Kunst ist kein Geheimnis. Und ich habe schon gar keine." Claudio Torcigliani malt, was er sieht. Vor allem die Altstadtgassen von Palma de Mallorca, die bei ihm immer wieder Emotionen hervorrufen: "Den Carrer Sant Llorenç habe ich schon vielfach gemalt. Aber diese Straße sehe ich ja auch jeden Tag."
Es beginnt immer mit einem Spaziergang: "Ich mache keine Skizzen. Ich schaue mir die Straße an. Viele Male und immer wieder, bei unterschiedlichem Wetter, unterschiedlichem Licht. Alles wird im Hirn gespeichert. Dann beginne ich mit der Zeichnung, die zunächst nur die Konturen umfasst. Es folgen ein paar Farbflecken. Danach wird dann Schicht um Schicht das Bild erstellt. Dazu braucht man nur Geduld und Hingabe." Sowohl die Hingabe als auch die Geduld sind in den Bildern sichtbar. Es ist Palma, wie es jeder, der mit offenen Augen durch die Stadt geht, kennt und liebt.
Weitere Themen bei Claudio Torcigliani sind Stillleben, denen er sich schon seit Jahrzehnten widmet. Eines aus früheren Jahren hat er sogar kürzlich zurückgekauft, als ein Kunstsammler verstarb und seine Familie die Sammlung auflöste. Manchmal malt er auch Akte. Und natürlich Porträts. Wegen der Porträts kam der gebürtige Italiener nach Mallorca. Das war 1988. "Ich hatte zu jener Zeit eine ganze Serie über das Leben von George Sand und Frédéric Chopin gemacht, war in Paris und in George Sands kleinem Schloss in Nohant. Nun fehlte mir nur noch der Lebensabschnitt 'Ein Winter auf Mallorca'. Ich lernte den Musiker Vincent Russo kennen, der mir eine Ausstellung in Valldemossa vermittelte. Das Projekt erweiterte sich ständig. Alles in allem eine gute Ausrede, um zu bleiben."
Wenn von Valldemossa die Rede ist, gerät Torcigliani ins Schwärmen: "Das ist Ort mit viel Magnetismus. Aber man ist dort auch sehr isoliert. Vor allem im Winter." So hat er im Jahr 2010 beschlossen, sein Atelier nach Palma zu verlegen, wo er nun Tag für Tag zu finden ist. Die Stadt macht ihn glücklich. Sein Studio mit vielen seiner Bilder, fertig oder nicht fertig, mit Farben, Tuben und Pinseln, ist eine Oase des Friedens.
Geboren wurde Torcigliani 1954 in Neapel: "Eine Stadt, in der einen ein Tag mehr altern lässt als zehn Jahre in einer anderen. Ich habe eine Art Hass-Liebe zu Neapel."
Er wollte von Jugend an Maler werden, nicht mit Billigung der Familie: "Ich ging als Jugendlicher auf eine Militärschule, wo mir wenigstens ein bisschen Bildung vermittelt wurde. Der Wehrdienst war damals sowieso Pflicht." Danach wurde er Lokomotivführer und sagt darüber: "So habe ich wenigstens viel gesehen."
Und er sparte. Um nach Paris zu gehen und dort eine Kunstschule besuchen zu können. Bis 1987 war er in der französischen Hauptstadt - und malte. Auf Mallorca dann lernte er seine schwedisch-mallorquinische Frau kennen, mit der er einen Sohn und eine Stieftochter hat: "Das hat mich natürlich auch auf der Insel gehalten."
Claudio Torcigliani ist wunderbar altmodisch. Und liebt Bücher und Musik. Er hört sie immer während der Arbeit: "Alle Künste sind in meinem Herzen", sagt er. Und fügt lachend hinzu: "Ich lebe analog. Ich bin ein virtueller Analphabet."
(aus MM 17/2014)
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