Nach einer Viertelstunde auf der Weide gibt Francisco Segura einer seiner Eselstuten einen Stups auf die Schnauze. Ihm entfährt ein „Was hast du?” auf Mallorquinisch. Das Tier weicht kurz zurück, um sich eine Minute später erneut an Seguras Bauch zu schmiegen. Es freut sich, dass der Züchter erneut seine Ohren streichelt. Auf einer Finca bei S’Esgleieta zwischen Palma und Esporles liegt viel Zuneigung in der Luft.
400 Esel der Rasse „Ase Balear” von 200 Besitzern weiden und grasen auf Mallorca. Rund 30 Arten gibt es weltweit. Vor 120 Jahren wurde die hiesige Rasse offiziell in ein Register eingetragen. Seitdem droht sie auszusterben, es gibt zu wenige Exemplare, sagen Züchter. Hunderte, gar Tausende Esel mehr seien notwendig, um nicht mehr gefährdet zu sein.
Francisco Segura ist einer der Besorgten. Der mallorquinische Landwirt und seine Mitstreiter der Züchter-Organisation „Associació de Criadors i Propietaris de Pura Raça Asinal Balear” sind auf finanzielle Hilfen der öffentlichen Hand angewiesen, um das Aussterben zu verhindern.
Wenn Esel zeigen möchten, dass sie jemanden lieb haben, tun sie das mit leichten Bissen in Hand, Arm und Rücken. Auch ein Schuh ist beliebtes Ziel. „Uns Menschen kann das durchaus weh tun”, sagt Francisco Segura. Seine vier Eselstuten Juaneta, 25 Jahre alt, Barrera, 5, Llum, 5, und Sardinera, 3, beißen an diesem Montagvormittag aber nicht wirklich zu. Sie schnappen nur mit den Lippen nach den Fingern ihres Züchters.
Barrera und Llum sind besonders verschmust. Sie nehmen Segura immer wieder in die Zange, als der über die beiden und ihre Artgenossen erzählt. Elf Tiere besitzt Francisco Segura insgesamt, sie leben auf verschieden Fincas verteilt. Unter ihnen sind zwei Hengste. Die Weiden gehören Segura nicht, seine Esel grasen sie nur ab. Segura bezeichnet das als Saubermachen. Das sei heute die hauptsächliche Funktion der Tiere, die auf Mallorca leben. Sie sind praktisch ökologische Rasenmäher in verdammt niedlicher Form.
Vor einigen Jahrzehnten wurden Esel auf Mallorca noch bei der Feldarbeit sowie Olivenpresse eingesetzt. An einem Ort auf der Insel erfüllen zwei Esel immer noch eine ursprüngliche Aufgabe: als Lastenträger am in der Inselmitte gelegenen Castell d’Alaró. Sie schleppen Lebensmittel und Utensilien vom Tal den Berg hinauf. Wer die Burg als Wanderer erklimmt, kann die Tiere liebkosen. Sie sind ähnlich zutraulich wie die vier Stuten auf der Weide bei Esporles und strecken ihren Kopf gerne über eine Barriere.
Wenn Francisco Segura über Esel spricht, beugt er sich gerne über den Rücken eines der Tiere. Wo man sie am besten streichelt? „Am Hintern”, sagt der 57-Jährige und dreifache Familienvater. Seine Esel sind bis zum Widerist 1,35 und 1,40 Meter groß. „Die Jungtiere dürfen gerne noch zulegen.” Bis die Tiere fünf Jahre alt sind, wüchsen sie.
Typisch für Esel der Balearen-Rasse ist eine Größe von mindestens 1,25 Meter, erklärt Francisco Segura. Die Tiere gehörten damit zu den Großeseln. Sie können bis zu 30 Jahre alt werden. Üblich für den „Ase Balear” sind auch das schwarz-braune Fell, die weißen Nüstern und die langen Ohren, sagt Segura. Der katalanische Esel sieht ähnlich aus. Alle Tiere stammen vom afrikanischen „Burro”, wie Esel auf Spanisch heißt, ab. Der südspanische hat eher weißes Fell.
Wie es um die Rasse stehe, hängt dem Experten zufolge immer davon ab, welche Parteien gerade die Insel regieren. Mit der konservativen Partido Popular sei es vor ein paar Jahren schlecht gelaufen, unter dem aktuellen Linksbündnis gehe es besser. Segura ist es wichtig, dass Geld der Europäischen Union für Züchter unkompliziert ankommt. Der Weg von Brüssel über Madrid nach Palma sei lang. Die Tierbesitzer müssten erst investieren, ehe sie Geld zurückerstattet bekämen.
Francisco Segura sagt: „Der mallorquinische Esel ist Teil unserer Geschichte, und wir müssen dieses Erbe bewahren.”
Wer einen Esel kaufen möchte, müsse dafür 600 Euro ausgeben. Früher seien es 1000 Euro gewesen. Ein Tier zu halten koste etwa 100 Euro monatlich. Verdienen würden Besitzer mit den Tieren jedoch nichts. Einen Stall bräuchten sie nicht, Esel könnten das ganze Jahr über draußen bleiben. Im Mai, wenn auf Mallorca die meisten Pflanzen blühen, schickt Segura seine Tiere im Auftrag des Rathauses in das Flußbett des Torrent de Esporles, um es sauberzumachen.
Angesprochen auf den Charakter der Esel sagt Francisco Segura, dass Esel alles andere als störrisch sind. Dieses Bild entstehe, weil sie im Gegensatz zu Pferden nicht wegliefen, wenn sich jemand ihrer Weide nähert. „Sie wollen ihr Terrain verteidigen.”
Und dann ist da noch etwas: „Esel können hartnäckig sein.” Das sagt Segura, als Eselin Sardinera an diesem Montagvormittag auf der Weide mal wieder „wie ein Kind” ankommt und liebkost werden möchte. Schon fahren Seguras Hände erneut durch das Fell der Stute.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.