Dösen auf der Liege. Träge in die Sonne blinzeln. Mal eben ins Meer. Dann ein kühler Drink an der Beach-Bar. So in etwa sieht ein Urlaubstag an Mallorcas Playas aus. Aber: Wird am Strand eigentlich noch gelesen? Oder bleiben die Bücher zu Hause im Schrank? MM schaute sich in Peguera und an der Playa de Palma um.
"Normalerweise habe ich fünf Bücher im Urlaubsgepäck, diesmal sind es nur drei", verrät Annette Ferlemann aus Dortmund. Die 64-Jährige blättert gerade im Krimi "Die Einsamen" von Håkan Nesser. "Ohne Buch wäre mir langweilig." Ferlemanns Lebensgefährte Marcus Kreutz (52) hat gerade kein Buch vor der Nase. Dafür zieht er das aktuelle Mallorca Magazin aus der Strandtasche. "Man will ja wissen, was auf der Insel so passiert."
Ein paar Meter weiter lassen es sich Thomas Behrning und seine Familie gut gehen. "Gelesen wird doch noch viel", meint der 48-Jährige aus Soest. Er hat den Klassiker "Der Prozess" von Franz Kafka in der Hand. Das Buch kennt Behrning zwar aus Studienzeiten, "aber ich habe es noch nie ganz gelesen", räumt er ein. Seine Frau Pia schläft derweil. Neben ihr etwas romantischere Lektüre: "Herzen im Herbst" - Liebesgeschichten. Während Papa und Mama auf herkömmliche Bücher setzen, ist die 17 Jahre alte Tochter Kim "moderner". Sie hat gerade einen E-Book-Reader geschenkt bekommen. "Im Moment lese ich richtig viel." Zur Urlaubslektüre gehört ein Fantasyroman von Kai Meyer.
Lesen ist nach wie vor angesagt. Fast unter jedem zweiten oder dritten Sonnenschirm liegt ein Buch. Manchmal sind es auch Zeitschriften. Lesen liegt allgemein im Trend. Das bestätigt Professor Dr. Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der "Stiftung für Zukunftsfragen" gegenüber MM: "Die Anzahl der Lesenden hat sich in den letzten Jahren erhöht, auch gibt es deutlich mehr Bücher, die verlegt werden. Allerdings lesen die Bundesbürger weniger regelmäßig." Aber im Urlaub mehr als im Alltag. "Ja, deutlich mehr. Kaum ein Urlauber verzichtet auf die Urlaubslektüre und bei einigen reicht der mitgenommene Lesestoff sogar nicht aus und sie weichen auf Zeitschriften aus."
Oder sie kaufen sich ein Buch vor Ort, wie es Egbert Jenner aus Borken gemacht hat. Der 60-Jährige bevorzugt Krimis und sagt "Ich lese immer im Urlaub." Zurzeit schmökert er in "Der Ruf des Kuckucks" von Robert Galbraith. Dass er sein Buch in Peguera kaufen würde, war nicht geplant. Jenner kam mit seinem Kindle nach Mallorca, wollte sich hier ein paar Bücher herunterladen. "Aber das WLAN im Hotel ist viel zu teuer."
Ebenfalls mit einem Krimi vertreibt sich Antje Borgstedt (51) die Zeit, sie liest "Der Hypnotiseur" von Lars Kepler. Julia, die 15-jährige Tochter der Bielefelderin, teilt ihre Sonnenliege mit dem Fantasy-Roman "Erwacht" von Jessica Shirvington. Gregor Gemmel (58) aus Wehr liest "Das Buch der von Neil Young Getöteten" aus der Feder von Navid Kermani. Mit "Das erwachte Herz" von Andreas Beutel beschäftigt sich die Heilpraktikerin Eugenija Schuiskie aus Frankenthal in diesen Tagen - es handelt sich um eine "Anleitung zu Harmonie und innerer Ausgeglichenheit". "Davor habe ich schon einen Roman gelesen. 'Die Hütte: Ein Wochenende mit Gott' von William Paul Young. Wirklich sehr, sehr lesenswert!"
Die Freundinnen Irina Bäcker (29) und Lena Herbel (28) lesen gerade den Style-Guide "Wie Sie in High Heels unfallfrei eine Glühbirne auswechseln" von Camilla Morton - in der russischen Version. Die beiden jungen Frauen sind zweisprachig aufgewachsen.
Professor Reinhardt, zu dessen Forschungsschwerpunkten das Freizeit-, Konsum- und Tourismusverhalten der Deutschen gehört, hat auf die Frage, wie denn die allgemein beliebteste Urlaubslektüre inhaltlich aussieht, eine deutliche Antwort. "Seicht", meint der Wissenschaftler trocken. "Ansonsten gilt: Was gefällt, wird gelesen, sei es ein Krimi, ein historischer Roman oder auch mal eine Biografie." Das Schmökern am Strand könne ein wichtiger Bestandteil eines Mallorca-Urlaubs sein. "Lesen gilt als Inbegriff der Entspannung. Beim Lesen eines guten Buches vergessen wir die Zeit und erholen uns."
Sollte man aber in der Zeit auf Mallorca, in den wenigen wertvollen Ferientagen eines Jahres nicht besser anderen Freizeitbeschäftigungen nachgehen und Dinge machen, die im Alltag nicht möglich sind? "Beides ist wichtig. Und wer in einem Mallorca-Urlaub nur lesend am Strand liegt, der hat sicherlich etwas verpasst", räumt Reinhardt ein. "Die Atmosphäre auf der Lieblingsinsel der Deutschen ist in der Tat eine besondere - diese findet sich so kaum woanders."
Zurück zum Strand. Susanne Cremers (48) und Jürgen Trunke (52) aus Kempen lesen. Er hat "Mädchen töten" von Eva Ehley in der Mache. Ein Buch mit Insel-Flair - es handelt sich um einen "Sylt-Krimi". Sie widmet ihre Zeit dem Thriller "Im Eishaus" von Minette Walters. Beide betonen, dass es sich um echte Bücher handelt. Trunke: "Papier muss sein." Apropos: Beim MM-Besuch am Strand sah man zwar E-Book-Reader, aber relativ wenige. Werden die kleinen Bildschirme Bücher in ein paar Jahren ersetzt haben? "Nein", glaubt Zukunftsforscher Reinhardt. "E-Books sind eher eine Ergänzung als ein Ersatz und viele weichen nur auf E-Books aus, wenn sie kein Buch mehr zur Hand haben."
(Aus MM 28/2015)
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