"Man sieht nur mit dem Herzen gut - die wesentlichen Dinge sind für die Augen unsichtbar" (Der kleine Prinz, Saint-Exupéry): Unter dieses Motto lässt sich auch das neueste Buch von Professor Dietrich Grönemeyer stellen: „Dein Herz. Eine andere Organgeschichte"
Erneut vertritt er hier als Autor und Mediziner einen ganzheitlichen Gesundheitsbegriff, der zudem sehr persönlich ist: Er selbst lag als Herz-Patient vor einigen Jahren auf der Intensivstation. Die meisten seiner Bücher entstehen auf Mallorca, wo sich Dietrich Grönemeyer so regelmäßig wie häufig in sein Inseldomizil zurückzieht - ein Grund mehr für MM, mit dem Wissenschaftler und Philanthropen zu sprechen.
Mallorca Magazin: Inwieweit ist Ihr letztes Herz-Buch von eigenen Erfahrungen geprägt?
Dietrich Grönemeyer: Es waren zunächst sehr persönliche Gründe, die mich veranlasst haben, dieses Buch zu schreiben. Da war die vermutete Herzmuskelentzündung meiner Tochter, auch ich selbst war vor einiger Zeit Herzpatient. So habe ich die Ängste erlebt, die jeden Patienten mit Herzproblemen treffen. Man fühlt sich ohnmächtig, wenn das Organ nicht so funktioniert wie gewohnt. Und beim Herz geht es letztlich immer um Leben und Tod. Auch für mich als Arzt waren also erst Herzprobleme der Anlass, um mich mit der eigentlichen Funktionsweise des Herzens intensiver zu beschäftigen.
MM: Können Sie die wichtigsten Thesen kurz erläutern?
Grönemeyer: Das Buch ist kein kardiologisches Fachbuch - ich selbst bin ja kein Kardiologe -, es basiert eher auf meiner Erfahrung als Patient. Ich will den Menschen zeigen, wie sie mit einer Herzkrankheit umgehen können. Aber es geht mir auch und vor allem um Vorsorge. Die Kardiologie ist zwar fantastisch, die Diagnosemöglichkeiten und Techniken bis hin zur Transplantation wunderbar und hilfreich - aber wäre es nicht besser, sie gar nicht zu brauchen? Wir müssen einfach mehr über unser Herz wissen. Auch deshalb fordere ich seit Jahren die Einführung von Gesundheitsunterricht in den Schulen und täglich eine Stunde Sport für jedes Kind.
MM: Welche „Aha-Erlebnisse" wünschen Sie Ihren Lesern?
Grönemeyer: Es gibt einen Ratgeberteil, in dem Herzkrankheiten, Therapien und Behandlungsmethoden erklärt werden. Aber ich wollte keine „Einführung in die Kardiologie" verfassen - vor allem wollte ich den Fragen nach der Wechselwirkung von Herz und Seele nachgehen. Denn: Dass das Herz fühlen kann, ist in Philosophie, Religion und Literatur selbstverständlich. Dort steht es häufig als Metapher für Glücks-, Liebes- oder Angstgefühle.
MM: Und in der Medizin?
Grönemeyer: In der Medizin konzentrieren wir uns allzu oft auf den Körper - die Wirkung der Gefühlswelt auf das Herz bleibt ausgeblendet. Dabei sind viele Herzerkrankungen von unserer Gefühlswelt abhängig. Psycho- und Neurokardiologen sind diesen Zusammenhängen längst auf der Spur.
MM: Sie schreiben Ihre Bücher meistens in Ihrem Mallorca-Domizil. Wie sieht denn so ein typischer „Arbeitstag" auf der Insel aus?
Grönemeyer: Schreiben ist für mich Entspannung. Eigentlich sind alle meine Bücher auf der Insel entstanden. Auch beim Wandern durch die wunderschöne Tramuntana kann ich mich herrlich entspannen. In meinen Schreibphasen bin ich einmal im Monat für eine Woche da. Manchmal komme ich auch nur für ein Wochenende, meist in den Norden. Nicht selten bin ich dann bei Freunden in Sóller. Mallorca ist vom Gefühl her meine zweite Heimat.
MM: Was gefällt Ihnen besonders an Mallorca? Wo sehen Sie Verbesserungen in den letzten Jahren, wo Rückschritte?
Grönemeyer: Die Insel ist für mich ein sehr inspirierender Ort. Der Aufenthalt in der Natur macht meinen Kopf frei. Traurig bin ich nur darüber, wenn immer mehr Orangenplantagen oder Landschaften für Gebäude-, Parkplatz- oder Straßenbau weichen müssen. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass das herrliche Tramuntana-Gebirge zum Weltkulturerbe erklärt wurde. In meiner Stiftung werden wir aber 2012 die Orangenbauern Mallorcas unterstützen und Kindern an deutschen Schulen Orangen zukommen lassen. Ihr Duft, ihr Geschmack, ihre Farbe wird Kinder motivieren, bewusster zu essen und zu genießen.
MM: Und was tun Sie selbst für Ihre Gesundheit - auch auf Mallorca?
Grönemeyer: Prinzipiell beziehe ich mich auf die alte indische Weisheit: Drei Mittel, um hundert Jahre alt zu werden. Zunächst einmal: Bewegen, bewegen und noch einmal bewegen. Mindestens eine Stunde Sport am Tag (Treppensteigen und Spazierengehen gehört auch dazu). Mich gesund - , für mich heißt das mediterran - ernähren: wenig Fett, viel Obst und Gemüse und ungesättigte Fettsäuren. Das Dritte ist Lebensfreude und die Lebenskunst, in Eigenverantwortung das Leben positiv zu gestalten.
MM: Immer mehr Menschen entdecken die Wichtigkeit der Balance von Seele, Geist und Körper, um gesund zu bleiben. Erleichtert das Ihre Arbeit - oder ermutigt Sie dabei, „am Ball zu bleiben"?
Grönemeyer: Jeder Mensch ist ein Individuum, eine Einheit aus Körper, Seele und Geist. Deshalb ist jede Lebens- und Krankheitsgeschichte anders. Wir Ärzte hören oft nicht genau genug zu, was aber gerade bei schweren oder chronischen Erkrankungen wichtig ist, denn wir Ärzte müssen die Patienten so gut wie möglich beraten, aber auch das Thema Eigenverantwortung immer wieder unterstreichen. Mir ist bewusst, dass man sein Leben nicht von einem auf den anderen Tag radikal ändern kann.
MM: Und wie gehen Sie da vor als Arzt?
Grönemeyer: Besonders gestressten Menschen einfach mehr Ruhe zu empfehlen ist wenig hilfreich. Erst wenn man sich seiner Belastungen bewusst geworden ist, kann man handeln. Das Ziel sollte immer sein, seine Lebensfreude zu steigern. Als Beispiel, vielleicht, indem man in der Mittagspause spazieren geht oder den passenden Sport für sich findet. Bewegung macht nicht nur den Kopf frei - auch das Herz wird es uns danken.
MM: Im Einklang mit Ihrer Philosophie steht die Kooperation Ihrer Stiftung mit dem hessischen Kulturministerium: Seit 2009 können sich SchülerInnen als „Gesundheitsbotschafter" weiterbilden. Was ist Ihr Anliegen, die „Vision", dahinter?
Grönemeyer: Kinder sind prinzipiell unglaublich neugierig, sehr wissbegierig und begeisterungsfähig. Und: Wissen vertreibt Angst. Je mehr Kinder wissen, umso weniger Angst haben sie vor der Medizin und vor dem Arzt - und das ist für mich ein ganz zentrales Anliegen.
MM: Für Aufklärung engagiert sich auch Ihre Stiftung ...
Grönemeyer: Ja, ich oder auch ältere Schüler gehen in niedrigere Klassen und erklären den Kindern den menschlichen Körper und was man bei bestimmten Krankheiten selbst tun kann beziehungsweise wann man unbedingt zum Arzt muss. So werden sie zu „Gesundheitsbotschaftern". Letztlich sind wir Ärzte ja nur Gehilfen, der eigentlich Arzt ist der Patient selbst, so sagte einer der berühmtesten Ärzte der Weltgeschichte, Paracelsus, schon vor Hunderten von Jahren.
MM: Welches Thema beschäftigt Sie zurzeit am meisten? Oder ist demnächst auch ein neues Buch zu erwarten?
Grönemeyer: Im Frühsommer wird ein Buch zum Thema Gesundheit und Ernährung erscheinen, „Wir Besser-Esser" im S. Fischer Verlag.
MM: Sie sind Vater von drei Kindern: Was wünschen Sie sich für deren Zukunft und die künftiger Enkel?
Grönemeyer: Frieden auf der Welt, Glück, Gesundheit und Kreativität.
MM:Apropos: Wie haben Sie Weihnachten gefeiert- im großen Familienverband?
Grönemeyer: Ja, mit der Familie.
MM: Was wünschen Sie sich persönlich für 2012? Haben Sie sich etwas „vorgenommen"?
Grönemeyer: Eigentlich dasselbe wie meinen Kindern. Ein Leben in Balance, aber auch in leidenschaftlicher Aktivität, die Bedeutung von Medizin als wesentliches Kulturelement stärker ins Bewusstsein der Menschen zu bringen, damit sie nicht immer nur primär unter dem Aspekt der Kosten diskutiert wird.
ZUR PERSON
Geboren 1952 in Clausthal-Zellerfeld wuchs Dietrich Grönemeyer mit seinen Brüdern Herbert (Musiker und Schauspieler) und Wilhelm (der Galerist verstarb 1998) in Bochum auf. Ab 1976 studierte er Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, wo er 1982 promovierte.
Seit 1997 hat er an der Privatuniversität Witten/Herdecke den Lehrstuhl für Radiologie und Mikrotherapie inne. Als Arzt, Wissenschaftler und Autor zählt Dietrich Grönemeyer zu den entscheidenden Verfechtern einer ganzheitlichen Medizin zwischen Hightech und traditionellen Heilsweisen, für die er sich auch mit den Projekten seiner Stiftung einsetzt.
Seine Bücher „Mensch bleiben", „Mein Rückenbuch" und „Der kleine Medicus" und „Dein Herz" wurden Bestseller. Seiner Schreibtätigkeit geht er meist in seinem Domizil auf Mallorca nach. Im Sommer 2012 erscheint sein neues Buch „Wir Besser-Esser" im S. Fischer-Verlag. Dietrich Grönemeyer ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
1 Kommentar
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Guten Tag, Herr Prof. Dr. med. Dietrich H.W. Grönemeyer ist kein Herzspezialist. Prof. Dr. med. Dietrich H.W. Grönemeyer, Leiter des Grönemeyer Instituts für MikroTherapie, ist Inhaber des Lehrstuhls für Radiologie und Mikrotherapie der Universität Witten Herdecke und hält darüber hinaus Gastprofessuren an der Harvard Medical School in Boston, der Georgetown University in Washington und der Steinbeis-Hochschule in Berlin. Das was er als Erfahrung wiedergibt, sind eigene Erfahrungen, da er selbst Herzprobleme hatte.