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Eine Woche hat genügt, um die politischen Verhältnisse in Spanien auf den Kopf zu stellen. Dafür, dass sich die Ereignisse nach dem Urteil im Korruptionsfall „Gürtel” überschlagen haben, verlief der Machtwechsel in Madrid überaus geordnet, ja teilweise elegant. Das betrifft nicht zuletzt das Auftreten des Siegers Pedro Sánchez und den Abgang Mariano Rajoys. Spaniens Demokratie hat bewiesen, dass sie gefestigter ist als ihr Ruf. Rajoy meint, das Land besser hinterlassen zu haben, als er es vorgefunden hatte. Das mag sein, wenn man nur die wirtschaftliche Entwicklung Spaniens betrachtet. Aber die Gesamtbilanz des bislang mächtigen PP- und Regierungschefs ist so positiv nicht. Rajoy stand den Korrupten in seiner Partei viel zu nahe, er versagte kläglich im Umgang mit Katalonien – und er hat zugelassen, dass sich in Zeiten des Spardiktats die Kluft zwischen Armen und Reichen vergrößerte. Es ist gut, dass jetzt etwas Neues kommt. Es kommt in persona von Pedro Sánchez, dem immer wieder mal totgesagten Vorsitzenden der spanischen Sozialisten. Er hat ein durchaus interessantes Kabinett nominiert, ist dialogbereit und kämpferisch. Gleichwohl käme es einer Überraschung gleich, wenn er Großes wuppen könnte. Die PSOE hat gerade mal 84 Sitze im Parlament, Sánchez ist angewiesen auf ein Patchwork an Parteien, Nationalisten und Linkspopulisten inklusive. Lange kann es nicht dauern, bis die Spanier erneut an den Urnen entscheiden müssen. Und da wird es dann wirklich spannend. Werden die Ciudadanos – also die neue Rechte – gewinnen und die PP ablösen? Oder kann sich die „Volkspartei” in der Opposition und unter neuer Leitung erholen? Oder wird es einen Linksblock geben à la Balearen? Ausgeschlossen scheint nur die absolute Mehrheit einer einzelnen Partei. Möglich, dass sich spanische Politiker endlich daran gewöhnen müssen, Koalitionen abzuschließen. Das täte dem Land gut. Zuerst jedoch muss Sánchez versuchen, im Eilschritt Reformen anzustoßen. Er hat eine Chance verdient. Autor: Bernd Jogalla