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„Nicht durch Reden oder Parlamentsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Blut und Eisen“, so der spätere Reichskanzler Bismarck in einer Rede im Jahr 1862. Spaniens Ministerpräsident Rajoy sei dringend davon abgeraten, in Bezug auf Katalonien dieser Maxime zu folgen – auch wenn er mit einer harten Linie gegen die aufmüpfigen Abgeordneten in Barcelona sicher Punkte für die anstehende Wahl sammeln könnte.

Prinzipienreiterei oder gar Polizeieinsätze sind kein passendes Mittel gegen eine vom Volk gewählte Versammlung. Nein, eine fehlgeleitete Politik kontert man am besten auf parlamentarischer Ebene, also mit Debatten oder Misstrauensanträgen. Vielleicht hätte man die große Unabhängigkeits-Show auch mit einem Redemarathon im amerikanischen Stil verhindern können. Schließlich sind sich Artur Mas & Co. intern alles andere als einig. Gut möglich, dass der angeschlagene Politiker auch in weiteren Wahlgängen bis Anfang Januar keine Mehrheit für seine Bestätigung im Amt bekommt. Neuwahlen inmitten einer zersplitterten Parteienlandschaft in Katalonien wären dann die wahrscheinliche Folge, und der große Traum von der Selbstbestimmung – er wäre wohl ausgeträumt.

Ob die Region trotz oder mit Mas einen Teil ihrer Ziele wie größere wirtschaftliche Autonomie erreichen kann, das hängt aber auch von der neuen politischen Landschaft in Madrid ab. Nachvollziehbar, wenn ein Referendum verhindert werden soll, weil man den geschäftstüchtigen und selbstbewussten Katalanen damit ein Recht einräumen würde, von dem sie womöglich eines Tages Gebrauch machen könnten. Zumindest eine Verfassungsreform muss aber auf die Tagesordnung, wenn man den spanischen Staat für die nächsten Jahrzehnte auf eine gesunde Grundlage stellen will. Übrigens nicht nur, was die Autonomie betrifft. Denn ein Gemeinwesen, in dem Korruption und Willkür blühen und die Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt, ist genau so inakzeptabel wie der Wille einer vermeintlichen Mehrheit, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen. In beiden Fällen müsste man von einer Herrschaft des Pöbels sprechen.