, 26. Mai – Im Moment seines größten Triumphs
bewies José Ramón Bauzá Fingerspitzengefühl. Als die Ergebnisse des
Wahlsonntags bekannt gegeben waren und der designierte neue
Ministerpräsident der Balearen vor die Presse trat, rief er zur
Besonnenheit auf. „Ich bitte euch trotz aller Freude um Mäßigung”,
sagte er. Zu ausgiebigen Jubelstürmen wollte sich der
Spitzenkandidat der Konservativen nicht hinreißen lassen – obwohl
seine Partei in allen wichtigen Institutionen Mallorcas die
absolute Mehrheit errungen hatte und somit in den kommenden vier
Jahren die Geschicke lenken kann, ohne auf fremde Hilfe angewiesen
zu sein.
Bauzá dürfte auch darum um Besonnenheit gebeten haben, weil er
genau weiß, dass sein Sieg vielmehr eine Niederlage des politischen
Gegners ist. „Das Ergebnis ist ein Geschenk an die PP”, sagt etwa
Meinungsforscher Gonzalo Adán, der das Verhalten des
mallorquinischen Wahlvolkes analysiert hat. Das Ergebnis der Wahl
ist zwar eindeutig, die Ursachen aber sind vielschichtig.
Auf den ersten Blick fällt auf: Der erdrutschartige Sieg der
Konservativen ist nicht dadurch zustande gekommen, dass die PP
einen deutlichen Stimmenzuwachs verzeichnen konnte. Bekamen die
Konservativen bei der Wahl zum Balearen-Parlament 2007 genau
192.577 Stimmen, waren es jetzt nur 2000 mehr (194.680). Der PP sei
es also lediglich gelungen, ihr Ergebnis von vor vier Jahren zu
wiederholen, sagt Adán.
Entscheidend war dagegen etwas anderes: Die Sozialisten (PSOE)
verloren im Vergleich zur Wahl von 2007 fast 26.000 Stimmen. „Die
Stammwählerschaft der PSOE hat die Regierung abgestraft”, sagt
Adán. Wie in ganz Spanien dürfte das Krisenmanagement der
Zentralregierung in Madrid eine erhebliche Rolle gespielt haben.
Der Wählerwunsch nach einem echten Richtungswechsel lasse sich aus
den Ergebnissen auf den Balearen dennoch nicht ablesen, sagt Adán.
Zumal auch die Beteiligung an der Parlamentswahl fast exakt so hoch
war, wie vor vier Jahren (knapp 60 Prozent).
Adán: „Die Umstände haben den Konservativen in die Karten
gespielt.” So waren diesmal so viele Parteien angetreten wie noch
nie. 20 Kandidaturen hatten sich um Sitze im Balearen-Parlament
beworben. Die meisten von ihnen scheiterten an der Fünfprozenthürde
– verlorene Stimmen also und die Gelegenheit für die PP, schon mit
gerade einmal 46 Prozent der Stimmen eine komfortable absolute
Mehrheit zu gewinnen. Ein fast identischer Prozentsatz reichte den
Konservativen vor vier Jahren eben nicht, um alleine die Regierung
zu stellen, woraufhin der nun abgewählte Mitte-Links-Pakt ohne die
PP zustande kam.
Wie sehr die Zersplitterung der Parteienlandschaft die
Konservativen begünstigte, zeigt folgende Tatsache: Wären alle
kleineren Linksparteien so wie vor vier Jahren („Bloc”) in einem
Wahlbündnis angetreten und hätten sich auch die beiden neu
gegründeten Regionalparteien Lliga Regionalista und Convergència
per les Illes zusammengetan, hätten sie die Fünfprozenthürde locker
genommen – die Sitzverteilung im Balearen-Parlament sähe ganz
anders aus. „Dann hätte es niemals für eine absolute Mehrheit der
PP gereicht”, so Adán.
Dass es nun dazu gekommen ist, galt noch vor zwei Jahren
zumindest als unwahrscheinlich. Nachdem Dutzende
Korruptionsskandale aus der Legislaturperiode 2003-2007 bekannt
geworden waren, in der die PP auf den Balearen die Regierung
gestellt hatte, schienen die Konservativen kaum noch als
mehrheitsfähige Alternative in Frage zu kommen. Tatsächlich stürzte
die Balearen-PP in Wählerbefragungen ab und lag lange Zeit
bestenfalls noch gleichauf mit der PSOE.
Seitdem hat sich das Bild jedoch gewandelt: Die Serie von
Skandalen spielte bei der Wahl nun keine Rolle mehr. „Das ist nicht
neu”, sagt Alexandre Miquel, Sozial-Anthropologe an der
Balearen-Universität. „Spaniens Rechte wird für Korruptionsskandale
von ihrer Wählerschaft nie abgestraft.” Das belegen auch die
Ergebnisse in anderen Regionen, wo in Korruptionsfälle verstrickte
PP-Kandidaten zum Teil deutliche Siege feiern. „Der Wähler heißt
die Korruption gut”, titelten spanische Medien.
Das könnte daran liegen, dass die politischen Lager in Spanien
besonders deutlich umrissen sind. Wechselwähler gibt es in viel
geringerem Maße als anderswo. „Die Blöcke sind klar definiert”,
sagt Miquel – und Mallorcas konservative Wählerschaft hat der
Regional-PP ihre Skandale eben längst verziehen. „Das mag auch
daran liegen, dass der typische PP-Wähler eben erzkatholisch ist”,
sagt Miquel: „Und in der katholischen Kirche ist es nun einmal so,
dass einem die Sünden verziehen werden, wenn man sie denn
beichtet.”
Und dennoch: Einen gewissen Effekt hatte die Korruption bei der
Wahl dann doch. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Gegenden
Spaniens hat die PP auf den Balearen ihre Stimmenanzahl nicht
deutlich steigern können. „Von einem großen Sieg der PP zu reden,
ginge an der Realität vorbei”, sagt Meinungsforscher Gonzalo Adán.
Es spricht für José Ramón Bauzá, dass er das selbst in der Stunde
des Triumphes nicht vergessen hat.
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