Wo gebuddelt wird, da kommen Überreste zutage,
die von der bewegten Vergangenheit der Insel zeugen. Erst in der
vergangenen Woche tauchten bei Bauarbeiten in Manacors Innenstadt
jahrhundertealte Tonscherben auf, die die muslimische Präsenz in
der zweitgrößten mallorquinischen Gemeinde belegen. Bis heute
prägen Überbleibsel jener Epoche den Alltag der Inselbewohner
(lesen Sie dazu die folgenden Seiten).
„Niemand kann die islamische Vergangenheit Mallorcas leugnen”,
sagt Lounis Meziani, Vorsitzender der Islamischen Föderation auf
den Balearen. „Es ist aber nicht gewollt, diesen Teil der
Geschichte zu erzählen.” Tatsächlich ist das Erbe der einstigen
muslimischen Herrscher über die Jahrhunderte oft verleugnet worden.
In Palma etwa, im einst prächtigen „Medina Mayurca”, sind kaum
architektonische Zeugnisse aus jener Zeit erhalten.
Auch der mallorquinische Historiker und Arabistik-Experte
Guillém Rosseló, der fast sein gesamtes Forscherleben der rund drei
Jahrhunderte währenden islamischen Vergangenheit der Insel widmete,
sieht diese Zeit in Vergessenheit geraten – in Kisten verpackt und
im dunklen Keller verstaut. Genau dies ist der Fall im
Landesmuseum, dessen Direktor Rosselló lange war. „Warum die
Sammlung mit Fundstücken aus den muslimischen Jahrhunderten nicht
ausgestellt ist, verstehe ich nicht”, sagt er. Die islamische
Epoche auf der Insel sei lange nur oberflächlich erforscht worden,
anders als etwa die Rückeroberung durch die christlichen Truppen
Jaumes I. „Es gibt Leute, die unsere Vergangenheit wegen
Chauvinismus nicht akzeptieren wollen”, sagt Rosselló.
Wie weit die Ablehnung geht, wurde besonders deutlich, als im
vergangenen Jahr eine Studie eines internationalen Genetiker-Teams
veröffentlicht wurde, die belegen soll, dass rund sechs Prozent der
Inselbewohner ihre Gene mit den Bewohnern Nordafrikas teilen.
Bemerkenswert an der Studie war weniger das Ergebnis, als vielmehr
die Reaktion, die sie hervorrief. Tagelang währte die Aufregung um
eine Tatsache, die offenbar das Selbstverständnis vieler
Mallorquiner ins Wanken brachte. „Moro”, „Maure”, ist bis heute
eines der schlimmen Schimpfwörter auf der Insel.
Lounis Meziani von der Islamischen Föderation beklagt denn auch
die „Marginalisierung” der heute auf Mallorca lebenden Moslems.
„Wir werden wie eine Einwanderergruppe behandelt, nicht wie eine
Religion.” Er fordert den Bau eines muslimischen Friedhofs und
einer Moschee. Rund 30.000 Moslems leben heute auf den Balearen.
Die Marokkaner stellen nach den Deutschen die zweitgrößte
Ausländergruppe.
Zumindest die nun aufgetauchten Scherben aus Manacor sollen
nicht in einer dunklen Ecke verstauben. Dafür will das Historische
Museum der Stadt Sorge tragen. Die Fundstücke werden restauriert
und später auch ausgestellt, versichert dessen Direktorin.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.