Was genau in jener blutigen Herbstnacht
geschah, ist bis heute unklar. Es gewitterte, als auf der Finca in
S'Aranjassa bei Arenal die Schüsse fielen, erst am Morgen wurden
die drei Leichen gefunden. Die Opfer: Manfred Meisel (49), genannt
der „Bierkönig” und Besitzer des gleichnamigen Lokals an der Playa
de Palma; sein Sohn Patrick, damals acht Jahre alt; Meisels
Angestellte Claudia Leisten (30), die sich um seinen privaten
Vogelzoo kümmerte.
„Dieser Mord ist zweifellos das spektakulärste Verbrechen auf
Mallorca, an das ich mich erinnern kann”, sagt Pep Matas, der seit
20 Jahren Polizeireporter der mallorquinischen Tageszeitung „Ultima
Hora” ist und dementsprechend viel erlebt hat. „Der Bierkönig war
reich und bekannt, darum war das Interesse an dem Fall so groß.”
Dass ein achtjähriges Kind auf kaltblütige Weise ermordet wurde,
habe viele Menschen erschüttert. Auch ihn.
Matas sitzt an seinem Schreibtisch, es ist ein ruhiger Tag. In
den Tagen nach dem Verbrechen war dagegen an Entspannung überhaupt
nicht zu denken. Wochenlang beschäftigte der Fall die
mallorquinischen Medien – und nicht nur die. Aus Deutschland kam
ein Heer von Reportern nach Mallorca. Bei ihnen war Matas ein
gefragter Gesprächspartner, ein Boulevardblatt zahlte ihm für ein
Hintergrundgespräch fast 1000 Mark. Verstehen kann er das bis heute
nicht. „Ich war eigentlich bereit, einem Kollegen einen Gefallen zu
tun – und dann überweisen die mir so viel Geld.”
Vor Pep Matas steht ein Karton mit der Aufschrift „Verbrechen –
Deutsche”. Er zieht den dicksten Papierstoß hervor: die Unterlagen
zum „Bierkönig-Mord”, die sich im Laufe der Jahre angesammelt
haben. „Ich bin überzeugt, dass es ein Auftragsmord war”, sagt
Matas. „Es war von Anfang an klar, dass die Täter ihr Vorgehen
gründlich geplant hatten.” Darum sei es so schwer, den Fall
aufzuklären.
Tatsächlich scheint die Polizei auch zehn Jahre nach der Tat im
Dunkeln zu tappen. „Wir haben nichts zu sagen”, teilt die
Sprecherin der spanischen Polizei knapp mit. „Außerdem hat der
Chefermittler keine Zeit.” Bis heute sind Einzelheiten des
Verbrechens nur auf undurchsichtigen Wegen an die Öffentlichkeit
gelangt (lesen Sie dazu den nebenstehenden Text). Selbst
Polizeireporter Matas, der den Ruf hat, stets auf dem allerneuesten
Stand zu sein, kennt keine aktuellen Details: „Es gibt im Moment
schlicht und einfach nichts Neues.”
Im vergangenen Juni schien jedoch Bewegung in die Ermittlungen
zu kommen: Palmas Polizei verhaftete überraschend den Deutschen
Sven M., der zum Zeitpunkt der Tat Geschäftsführer im „Bierkönig”
und anschließend mit Meisels Lebensgefährtin Daiana Ritter liiert
war. Laut der Staatsanwaltschaft in Frankfurt, die in dem Mordfall
ebenfalls ermittelt, bestand ein Tatverdacht gegen ihn. „Beweise
gab es jedoch nicht”, sagt eine Behörden-Sprecherin. Neue
Ermittlungsansätze gebe es nicht, das sei nach zehn Jahren auch
schwierig. Nach dem Verhör wurde Sven M. wieder freigelassen. Laut
„Ultima Hora”-Reporter Pep Matas hatte Sven M. öffentlich damit
geprahlt, den Mord begangen zu haben. Das Verhör blieb offenbar
ergebnislos.
Und so schiebt Matas die Aktenmappe zum „Bierkönig-Mord” erstmal
wieder an ihren Platz ins Regal hinter seinem Schreibtisch. Zur
Wiedervorlage.
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