Das Vertrauen in die Selbstdisziplin der jungen Leute war
offensichtlich ziemlich groß. Sogar an die Mülltrennung sollen sie
denken: Extra zum „Macrobotellón” am vergangenen Samstag hat die
Müllabfuhr 24 zusätzliche Abfalleimer am Paseo Marítimo
aufgestellt, nagelneu und beschriftet – die eine Hälfte für Glas,
die andere für Verpackung.
Dabei ist lange gar nicht klar, ob die Eigeninitiative der
Party-Leute überhaupt Erfolg haben wird. Noch um kurz vor
Mitternacht gibt es am Paseo Marítimo mehr Mülltonnen als
Feierwütige. Nur die Rot-Kreuz-Freiwilligen frieren schon auf ihren
Klappstühlen und warten auf den Andrang der Massen.
„Der Botellón ist einfach nur ein weiteres Freizeitvergnügen”,
sagt Vanessa Colomar (28). Die Nachwuchs-Koordinatorin beim
balearischen Roten Kreuz hat den Infostand organisiert und ist
bemüht, den Jugendlichen nicht mit erhobenem Zeigefinger
gegenüberzutreten. „Wir wollen an das Verantwortungsbewusstsein der
jungen Leute appellieren”, sagt sie: Sex nicht ohne Kondom, die
Anwohner in Ruhe lassen, betrunken nicht Auto fahren und den Müll
bitte in die dafür vorgesehenen Tonnen – Saufen mit Köpfchen ist
angesagt.
Mittlerweile zeichnet sich ab, dass die Vorbereitungen nicht
vergeblich waren. Dort, wo tagsüber Touristen flanieren und die
schicken Yachten bestaunen, lassen sich immer mehr Grüppchen
nieder, in der Mitte eine Plastiktüte mit Hochprozentigem. „Das
sollte man bei uns auch einführen”, sagt Norman Nees aus Mainz, der
Ostern in Palma verbringt. „Ich find' das stark hier”, sagt der
19jährige.
Währenddessen wartet auf der anderen Straßenseite ein Notarzt
darauf, dass der Alkohol seine Wirkung entfaltet. Er kann dem
Saufgelage nichts Positives abgewinnen. „Es ist eine Schande:
Alkohol ist eine Droge wie jede andere auch, sie tötet nur anders.”
An jedem Wochenende erlebe er im Krankenhaus Son Dureta immer
wieder das gleiche Drama: Junge Leute, die sich besoffen hinters
Steuer gesetzt, einen schweren Unfall gebaut haben und dann
lebensgefährlich verletzt eingeliefert werden. „Viele Eltern müssen
dann für den Rest des Lebens ihre dahinvegetierenden Kinder
pflegen. Der Botellón gehört verboten.”
Nur ein paar Meter weiter steigt derweil die Stimmung. Die
jungen Leute stehen jetzt dicht gedrängt bis an den Rand des
Hafenbeckens. Von 7000 Teilnehmern spricht die Polizei später. „Ich
hab' die dickste Pulle”, grölt ein Jugendlicher und reckt eine
Fünf-Liter-Whisky-Flasche in den Nachthimmel. Was er nicht weiß:
Zehn Augenpaare beobachten ihn dabei aus sicherer Entfernung. Mit
mehreren Kameras überwacht die Polizei den „Macrobotellón”, am
anderen Ende des Hafens ist die Kommandozentrale.
„Ist das nicht die Kollegin aus dem Stadtrat?”, scherzt Rafel
Durán, Dezernent für Sport und Jugend. Der Politiker will sich vor
Ort ein Bild von den Kontrollen machen und hat Spaß dabei, das
Treiben auf der Leinwand zu verfolgen. Genauso wie der
Polizeibeamte am Steuerpult. Per Knopfdruck kann er von einer
Kamera zur anderen wechseln und auf Wusch ganz nah heranzoomen. Das
macht er beispielsweise dann, wenn er eine Blondine im Minirock
entdeckt oder auch ein Liebespaar in voller Aktion. Auch der junge
Mann, der in hohem Bogen ins Wasser pinkelt, sorgt für gute Laune
in der Überwachungszentrale. Gründe zum Eingreifen gibt es aber
nicht. „Die jungen Leute sind ziemlich diszipliniert”, lobt der
Mann von der Hafenverwaltung.
Die Bilanz der Nacht fällt vergleichsweise harmlos aus: Acht
Festnahmen nach Schlägereien, acht positive Alkoholkontrollen bei
Autofahrern, acht betrunkene Jugendliche, die medizinische Hilfe
brauchten, meldet die Polizei. Und so ist am Ende der schwerste
Zwischenfall, dass die Mülltrennung nicht geklappt hat – im
Morgengrauen muss die Müllabfuhr den Abfall dann doch zu großen
Haufen zusammenkehren.
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