Alfred Brendel: "Ich vermisse das Klavierspiel nicht, weil ich das Klavier nicht mehr so hören kann wie früher."

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Gäbe es einen Olymp für Pianisten, dann wäre Alfred Brendel einer seiner Bewohner. In seiner über 60-jährigen Karriere hat er mit seinen Interpretationen von Mozart, Beethoven, Schubert und Liszt Maßstäbe gesetzt. Als erster Pianist nahm er sämtliche Klavierwerke von Ludwig van Beethoven auf.

Im Dezember 2008 verabschiedete sich Brendel, der seit Anfang der 70er Jahre in London lebt, im Wienermusikverein mit dem "Jenamy"-Klavierkonzert von Mozart von der Konzertbühne. Seit einem Hörsturz im Jahr 2012 spielt er gar nicht mehr Klavier. Es sei denn für musikalische Beispiele bei Vorträgen, wie er einen am vergangenen Mittwoch in Palma gehalten hat.

Im Kulturzentrum Sa Nostra erklärte Brendel dem Publikum die letzten Sonaten von Franz Schubert. Ein Vortrag aus einem Munde, der berufener nicht sein könnte. Immerhin war es Brendel, der diese Werker überhaupt erst in den Konzertsälen heimisch machte. Und dies mit einer Kunst, die den renommierten Musikkritiker Joachim Kaiser dazu veranlasste, den Pianisten als bedeutendsten Schubert-Interpreten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen.

Im Vorfeld des Vortrags in Palma hatte MM die Gelegenheit, dem Maestro drei Fragen zu stellen.

Mallorca Magazin: Herr Brendel, vor gut neun Jahren nahmen Sie Abschied von der Konzertbühne. Seit Ihrem Hörsturz spielen Sie kein Klavier mehr, wie ich gelesen habe. Vermissen Sie das Klavierspiel?

Alfred Brendel: Nein, ich vermisse das Klavierspiel nicht, weil ich das Klavier nicht mehr so hören kann wie früher. Aber ich beschäftige mich ständig mit Musik: in meiner Vorstellung, im Umgang mit jungen Pianisten, besonders aber in der Arbeit mit Streichquartetten. Das war seit einigen Jahrzehnten die bevorzugte Art des musikalischen Diskurses, schon während meiner Konzertzeit.

MM: Sie haben in Interviews schon Empfehlungen an junge Pianisten gegeben. Was würden Sie (jungen) Konzertbesuchern beziehungsweise Musikhörern mit auf den Weg geben, die ja meist nicht das gleiche Niveau und vielleicht auch nicht so ein feines Musikempfinden haben wie der Pianist?

Brendel: Mein Rat ist: werfe nicht die sogenannte klassische Musik mit Pop oder Rock in einem Topf. Das sind zwei sehr verschiedene musikalische Ebenen. „Crossover“ ist von Übel. Die klassische Musik ist ein riesiger und großartiger Bereich, den man rein genießen sollte.

MM: Sie schreiben Gedichte. Hat es Sie als Musiker nie gereizt, auch zu komponieren?

Brendel: Als junger Mann komponierte ich mehrere Jahre und spielte eigene Kompositionen. Die Ausbildung als Komponist hat mir dann als Pianist sehr geholfen. Ich kann jungen Musikern nur empfehlen, diese Erfahrung nicht zu versäumen.

(aus MM 5/2018)