Sarah Kim Gries ist Autorin von Kinderbüchern und Influencerin. Dabei zeigt sie ungeschönt ihren Alltag, ihr Leben und positioniert sich als Feministin. | Patricia Lozano

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Mit einem lauten Knall zerschellte die Vase am Boden des Warteraums. Als die Tür aufging, blickte die Casting-Crew in große, braune Augen, ein verschwitztes Gesicht, die Haare lugten unter dem Bandana hervor. Das Mädchen hatte in dem Vorraum Fußball gespielt, während sein Bruder für eine Rolle in „Die Wilden Kerle” vorsprechen sollte. Doch anstatt über das zerbrochene Porzellan zu schimpfen, war den Machern des Kinofilms in diesem Moment klar: „Du bist das Kind, nach dem wir gesucht haben.” Ab dann verwandelte sich die damals elfjährige Sarah Kim Gries plötzlich und für viele Jahre in Vanessa.

Über 20 Jahre sind vergangen, seit der Kinderstar – an der Seite von Uwe Ochsenknecht und seinen Söhnen Wilson Gonzalez und Jimi Blue – als einziges Mädchen in einer Horde von Jungen den Ball über den Bolzplatz kickte. „Ich hatte keine Jugend. Diese Zeit war komplett fremdbestimmt”, blickt die heute 34-jährige Mallorca-Auswanderin zurück. Während ihre Freunde und Klassenkameraden Hobbys und Freizeit genießen konnten, war sie ständig mit Dreharbeiten beschäftigt. „15 Stunden wach, zehn Stunden am Set” waren damals normal, erzählt sie. „Ich will die Erfahrungen nicht missen, aber meinen eigenen Kindern würde ich das heute nicht erlauben”, sagt Sarah Kim Gries deutlich. „Autogrammstunden liefen bei uns teilweise ab wie bei der Band Tokio Hotel. Einmal mussten wir von den Securitys sogar in Sicherheit gebracht werden, damit uns die Fans nicht erdrücken.” Auch in ganz alltäglichen Situationen habe sie kaum Privatsphäre gehabt.

Gemeinsam mit ihrer Familie lebt sie seit Mai dieses Jahres im Südwesten der Insel. Noch heute passiere es, dass ihr Menschen beim Bummeln in Palma „Vanessa!” hinterherrufen oder am Flughafen Fotos mit ihr machen wollen. Nach ihrer Teilnahme an „Die Wilden Kerle” hat sie – entgegen aller Erwartungen in ihrem Umfeld – keine Schauspielkarriere eingeschlagen. Stattdessen veröffentlichte sie zwei Kinderbücher und verdient ihr Geld schon seit Jahren als Influencerin. „Authentisch, ehrlich, roh”, beschreibt Sarah Kim Gries ihren Content in Social Media, wo sie sich „Sarah Superheld” nennt.

„Ich bin keine perfekte Influencerin, ich zeige mich ungefiltert”, erklärt die 34-Jährige. Dass sie als kleines Kind vergewaltigt worden ist, keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter hat und unter psychischen Problemen wie Panikattacken leidet – aus all dem macht sie keinen Hehl. Im Gegenteil: Schonungslos und mit einer Prise Humor teilt sie ihre Lebensgeschichte und feministische Inhalte. Und auch mit ihrer damaligen Rolle in den Kinofilmen geht sie auf Instagram und Tiktok sehr kritisch um. „Die Sexualisierung von Kindern war definitiv ein Thema.” Dabei beschreibt sie vor allem eine Szene, in der ihr als Vanessa ein Eis vor das Gesicht gehalten wird und sie fast lasziv daran leckt. „Noch heute schicken mir Männer dazu Nachrichten und erzählen genau, was sie gerne mit mir gemacht hätten”, berichtet Gries. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum Sarah Kim Gries heute ihre eigenen Kinder in den sozialen Medien besonders schützt. Weder deren Namen noch Alter teilt sie mit ihren zehntausenden Followern, stattdessen heißen die Zöglinge ziemlich emotionslos „K1” und „K2”.

„Unser neues Leben auf Mallorca ist für mich die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Wir sind als Familie noch einmal anders zusammengewachsen und unser Alltag ist ein bisschen langsamer geworden”, erzählt die Mutter. Sie schwärmt weiter: davon, wie kinderfreundlich die Insel und wie viel höher die Lebensqualität sei. „Es fühlt sich an wie Teilzeit-Urlaub. Man lebt mehr im Moment.” Und das, obwohl sie und ihr Mann mehr arbeiten und die Tage länger seien, aber „wir haben mehr Zeit als Familie”.

Auch in anderen Bereichen ihres Alltags bemerke sie, dass ihr neues Leben einen positiven Einfluss auf sie habe. „Mein Konsumverhalten hat sich gebessert. In Deutschland ist alles permanent verfügbar, auf einer Insel nicht. Manchmal schaue ich bei eingängigen Versandhäusern nach Artikeln, und wenn sie erst in einer Woche lieferbar sind, hinterfrage ich mich, ob ich sie wirklich benötige.” Die Antwort sei dann meist ein Nein und sie verzichte auf die Bestellung.

Eigentlich war es eine „Schnapsidee”, so erzählt Gries, die letztlich in einer Auswanderung endete. Schon lange vor dem eigentlichen Schritt sei klar gewesen, dass sie und ihr Mann nicht mehr in Deutschland leben wollten. Ihr Partner ist Jo Semola, der sein Geld mit Back- und Brot-Videos sowie Rezeptbüchern verdient. Dass die Wahl auf Mallorca fiel, war eher ein Zufall. Denn bei einem Trip vor einem Jahr verzauberte die Insel die Familie so sehr, dass sie sich die Frage stellten: „Können wir nicht einfach hier bleiben?”

Mehr von Sarah Kim Gries auf Instagram @sarah_superheld