Seemannschor in Aktion. | Ultima Hora

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Wer hätte das gedacht: Das allseits bekannte Sóller-Tal ist nicht nur für seine prallen Orangen bekannt, sondern auch für ein alljährliches Schunkelfestival, das die Seelen vieler Insulaner anrührt: Bei der sogenannten Trobada d’Havaneres finden Hunderte Fans von traditionellen Seemannsliedern zum Repic-Strand. Auf Stühlen sitzend, lassen meist ältere Semester die wehmütig-sehnsuchsschwangeren, zumeist auf Kuba entstandenen Lieder auf sich wirken.

Dieses Jahr findet das Festival an drei anstatt wie früher an zwei Tagen statt, und das bereits zum zwölften Mal. Es treten jeweils abends mallorcaweit altbekannte Chöre und Künstler wie Mar i Vent, Eva Pons oder die Arpellots auf (Freitag). Am Samstag schlägt dann die Stunde eines ikonischen Inselbarden, Tomeu Penya. Dass der Haudegen seine Adepten schnell zum Träumen und Mitsingen bringen wird, gilt als ausgemachte Sache. Den Abend abrunden werden die Gruppe Ben Trempats und erstmals eine Band aus dem Ursprungsland jener Lieder, Kuba, Haváname. Am Sonntag folgen Aires Sollerics, Aires Formenterencs und erneut Mar i Vent.

Als Zuckerl obendrauf wird an allen drei Abenden um 
18.30 Uhr etwas angeboten, das sonst alles andere als billig ist: eine Sonderfahrt ab Palma mit dem historischen Sóller-Zug inklusive der Straßenbahn zum Hafen, diesmal lediglich für 
12 Euro, wobei die Rückfahrt mit dem Bus um 0 Uhr inklusive ist.

All jene, die sich auf die harten Holzbänke des seit 1912 verkehrenden Zugs setzen werden, haben nur eines im Sinn: Sie wollen bei noch warmem Frühherbstwetter den Odem der großen weiten Welt in sich hineinsaugen, den die im 19. Jahrhundert entstandenen Lieder transportieren. In der Straßenbahn werden die geneigten Fahrgäste laut dem Veranstalter, der Grup Trui, von mallorquinischen Dudelsackspielern (Xeremiers) auf das musikalische Hochamt in Port de Sóller eingestimmt.

Die Havaneres oder Habaneras sind künstlerische Gesangs-Ergüsse, die auf den kulturellen Austausch zwischen dem spanischen Mutterland und der damaligen Kolonie Kuba zurückzuführen sind. Auf der Zuckerinsel – dem Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig gewordenen letzten großen auf dem amerikanischen Kontinent befindlichen Überseegebiet Spaniens – entstand aus dem Zusammentreffen von heimischer Musik mit afrikanischen und anderen Klängen ein synkretistischer Gruppentanz zu gesungenen Liedern. Letztere werden auf Spanisch oder Katalanisch dargeboten.

Das wohl berühmteste Habanera-Beispiel ist das Lied „La Paloma”, das der baskische Komponist und Kuba-Auswanderer Sebastián Iradier ehedem ersann und in andere Sprachräume gelangte. Nicht nur durch Elvis Presley auf Englisch, sondern auch auf Deutsch avancierte es zum Wehmut- und Sehnsuchtsklassiker. Gesungen wurde es bekanntlich vom unvergessenen Hans Albers (1891-1960), dem einst vergötterten „blonden Hans”. Dass das Lied bei dem Festival performt wird, darf erwartet werden.