TW
0

Wenn Joji Hattori am kommenden Donnerstag um 21.30 Uhr im Hof der Burg Bellver unter nachtblauem Himmel den Taktstock hebt, lässt er uns mit Werken von Johann Strauss, Maurice Ravel, Pablo de Sarasate und Felix Mendelssohn Bartholdy eintreten in eine musikalische Welt aus Zigeunertemperament und mediterranem Flair. Door opener in diese Sphären ist die Ouvertüre zum „Zigeunerbaron«. Darüber und über die beiden nachfolgenden Werke, Ravels „Tzigane« und Sarasates „Carmen-Fantasie«, denen die Geigerin Leticia Moreno den nötigen virtuosen Glamour verleiht, bedarf es keiner großen Worte, sie erschließen sich unmittelbar und quasi von alleine. Zum Hauptwerk des Abends, Mendelssohns „Italienischer Sinfonie« will ich Ihnen eine kleine Einstiegshilfe geben.

Felix Mendelssohn-Bartholdy wurde 1809 in eine wohlhabende, angesehene bürgerliche Familie hineingeboren. Das hieß konkret: solide Ausbildung und Bekanntschaft mit den damaligen Größen aus Literatur, Malerei und Musik, die in seinem Elternhaus verkehrten. Nachdem er bereits mit 17 seinen bis heute größten Hit, die Ouvertüre zu Shakespeares „Sommernachtstraum« (oder ist es doch der später entstandene Hochzeitsmarsch?), gelandet hatte, unternahm er zunächst eine Bildungsreise nach Schottland (Souvenir: Sinfonie Nr.3, die „Schottische«) und brach dann im Mai 1830 zur großen Italienreise auf. Im Gepäck hatte er Goethes „Italienische Reise«, wie sich das für einen gebildeten jungen Mann gehörte. Knapp zwei Jahre war er unterwegs; die Route führte über Venedig, Florenz, Rom, Neapel und Genua bis nach Mailand. Und während dieser Zeit erlebte er „sein« Italien: Kunst, Architektur, Landschaft, das Flair des Südens, die ausgelassene Folklore, die (durchaus erträgliche) Leichtigkeit des Seins. Viele Eindrücke hielt er in Zeichnungen und Aquarellen fest (er war auch ein begnadeter Maler). Aber sein Haupt-Idiom war die Musik. Und so konzipierte er bereits auf der Reise seine 4. Sinfonie, die er 1832/33 in Berlin vollendete und die unter dem Namen „Italienische Sinfonie« in die Musikgeschichte eingehen sollte.

In einem Brief bezeichnete er sie als „das lustigste Stück, das ich je gemacht habe«. Das ist insofern bemerkenswert, als sein Kollege Franz Schubert, dessen Musik Mendelssohn gut kannte (immerhin hatte er die von Robert Schumann wiederentdeckte 9. Sinfonie, die „große C-dur«, uraufgeführt), ernsthaft gefragt (und sich die Antwort gleich selbst gegeben) hatte: „Kennen Sie lustige Musik? Ich nicht!« – Nun, vielleicht konnte Mendelssohn wirklich lustige Musik schreiben, weil seine Lebensumstände im Gegensatz zu denen des armen Franz Schubert unbeschwert waren, von einer heiteren Grundstimmung getragen, und materielle Not nicht kannten. Wie immer dem auch sei: bei aller Lustigkeit, bei all dem fröhlichen mediterranen Geist, die dieser Musik innewohnen, sollten Sie nicht vergessen, dass es eine (noch) klassische Sinfonie ist. Dennoch kann man durchaus die Verklanglichung des munteren italienischen dolce vita heraushören. Im zweiten Satz trübt das d-moll die Stimmung ein. Mendelssohn soll ihn unter dem Eindruck von Goethes Tod (1832), der ja sozusagen sein „Reiseführer« war, geschrieben haben. Aber schon im dritten Satz, einem ruhigen Menuett, kehrt die A-dur-Heiterkeit wieder zurück. Und dann das Finale: ein siebenteiliges Rondo, dessen Hauptthema ein Saltarello (so ist der Satz auch überschrieben) ist, ein italienischer Springtanz (saltare bedeutet springen). Bitte anschnallen, denn hier geht richtig die Post ab! In keinem der vorangegangenen Sätze steckt so viel Italianità, so viel Natur und Charakter Italiens und der Italiener! Mehr Informationen hält auf amüsante Weise der Kabarettist Michael Lohse in seinem Podcast „Meisterstücke« für Sie bereit. Ravels „Tzigane« erklärt Ihnen die Geigerin Arabella Steinbacher in dem br-Podcast „Das starke Stück« aus der Sicht der Virtuosin.