In Palmas Altstadt herrscht in der Hauptsaison üblicherweise Gedränge. | Jonas Martiny

TW
0

Die nackten Zahlen sprechen eine klare Sprache: Bis einschließlich September kamen im laufenden Jahr 11,4 Millionen Touristen aus dem In- und Ausland auf die Insel. Der bisherige Bestwert stammt aus dem vergangenen Jahr. Damals waren es insgesamt 12,4 Millionen Touristen. Der Wert dürfte im Oktober bereits deutlich übertroffen worden sein. Diese Daten liegen allerdings erst Anfang Dezember vor.

Noch deutlicher fällt das Bild am Flughafen aus: Bis einschließlich Oktober wurden in Son Sant Joan 31.015.732 Passagiere abgefertigt (sowohl Starts als auch Landungen). Das ist gleichbedeutend mit einem Anstieg um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr, aus dem der bisherige Passagierrekord stammt. Damals wurden in den gesamten zwölf Monaten 31.106.165 Personen abgefertigt. Auch dieser Wert dürfte mittlerweile übertroffen sein.

Auch die Kreuzfahrtbranche verzeichnet einen erneuten Anstieg der Passagierzahlen. In Palmas Hafen wurden bis einschließlich September 1.463.216 Reisende registriert – ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Rekorde sind in diesem Bereich allerdings nicht mehr zu erwarten. Der Wert von 2019 – 2,2 Millionen Passagiere – dürfte vorerst unübertroffen bleiben: Seit 2023 nämlich gilt ein Limit von drei Kreuzfahrtschiffen gleichzeitig in Palmas Hafen. Während 2019 noch 590 Schiffe festmachten, waren es 2023 nur noch 490.

Dennoch: Es kommen immer mehr Urlauber nach Mallorca. Und sie geben auch immer mehr Geld aus. Bis einschließlich September lagen die Gesamtausgaben der Touristen bei 13,8 Milliarden Euro – mehr als je zuvor in diesem Zeitraum eines Jahres. Jeder Urlauber gab statistisch gesehen 1213,42 Euro aus. Macht pro Tag 191,77 Euro – 40 mehr als noch im Jahr 2019. Auch eine andere Tendenz setzte sich in diesem Jahr fort: die durchschnittlichen Aufenthalte der Mallorca-Urlauber werden immer kürzer. Seit 2014 sanken sie um zwei Tage, von 8,3 auf 6,3.

Der wohl entscheidende Parameter aber ist die schiere Zahl der Touristen. Wie sich diese langfristig entwickelt hat, wird an den Passagierzahlen des Flughafens besonders deutlich. Vor 10 Jahren nämlich – im Jahr 2014 – lag die Zahl der abgefertigten Passagiere dort noch bei 23,1 Millionen. Der Anstieg lag seitdem also bei mehr als 34 Prozent. Die Touristenzahl auf Mallorca lag den offiziellen Statistiken zufolge im Jahr 2014 bei 9.650.469. Das bedeutet einen Anstieg um 28,5 Prozent.

Während in vergangenen Zeiten auf Mallorca alles auf das Wachstum des Tourismussektors ausgerichtet war, rufen die immer neuen Urlauberrekorde mittlerweile jedoch ein geteiltes Echo hervor. Der Höhepunkt waren die tourismuskritischen Demonstrationen in Palma, an denen jeweils mehrere Zehntausend Personen teilnahmen. Und so ist das Jahr 2024 auch das Jahr, in dem die Debatte über die Grenzen der Aufnahmefähigkeit und über die negativen Auswirkungen des Massentourismus zum alles beherrschenden Thema geworden ist.

Selbst die konservative PP, die derzeit auf den Balearen die Regional-Regierung stellt, konnte sich dem nicht länger verschließen und hat eine Kehrtwende hingelegt. Ministerpräsidentin Marga Prohens hat das Thema zur Chefsache erklärt und eine Kommission eingesetzt, die unter Mitwirkung breiter Teile der Gesellschaft Lösungen erarbeiten soll. Noch vor Beginn der nächsten Hauptsaison werden die ersten Maßnahmen in Kraft treten, heißt es. Ob das zu einem Rückgang der Urlauberzahl im kommenden Jahr führen wird, bleibt abzuwarten.

Gemischtes Fazit

Die Bilanz des Jahres 2024 fällt laut dem balearischen Tourismuminister Jaume Bauzà positiv aus. Sowohl Hotel-, als auch Ferienhaussektor hätten eine gute Saison hinter sich, mit Zuwächsen, die in den Wintermonaten deutlich ausfielen und in den übrigen Monaten des Jahres moderat. „Ich denke, dass 2025 sehr ähnlich wird. Der Trend ist gut“, sagte Bauzà kürzlich im Rahmen einer Veranstaltung, zu der der Verlag Grup Serra geladen hatte, zu dem auch das Mallorca Magazin gehört.

Auch Pedro Matutes, Geschäftsführer von Serenis Hotels, äußerte sich überwiegend positiv. Er betonte die Fortschritte in Richtung Verminderung der Saisonabhängigkeit. Insbesondere die zahlreichen Sportveranstaltungen in der Nebensaison trügen dazu bei. Die Saison sei gut verlaufen, mit einer ähnlichen Belegungsquote wie im Vorjahr. „Es stimmt, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer gesunken ist”, gab er zu bedenken. Das führe dazu, dass die Auslastung während eines Teils der Woche häufig niedrig, an den Wochenenden dafür sehr hoch sei. „Das bedeutet, dass wir für die selbe Hotelauslastung mehr Bewegung am Flughafen brauchen.” Sorgen bereite ihm, dass der Familientourismus rückläufig sei.

Ähnliche Nachrichten

Auch Maria Frontera, Präsidentin des Hoteliersverbandes, ist zufrieden. „2024 war ein großartiges Jahr, in allen Tourismusgegenden der Insel”, sagt sie. Insbesondere im Winter und Frühjahr seien die Besucherzahlen sehr gut gewesen. Das gelte auch für den Oktober. Frontera konstatierte zudem eine Veränderung der Reisegewohnheiten: „Die Leute machen häufiger Urlaub, dafür aber kürzer.”

Der Präsident des Ferienvermietungsverbandes Habtur, Antoni Barceló, zog ebenfalls ein positives Fazit. Nach zunächst schwachem Start sei die Saison doch noch gut verlaufen. Die Branche habe bis Juli etwas schwächere Buchungszahlen verzeichnet als im vergangenen Jahr. „Dies wurde jedoch kompensiert durch einen Oktober, wie wir ihn noch nie erlebt haben”, sagte Barceló. Die Auslastung habe in dem Monat bei mehr als 80 Prozent gelegen. Selbst im November war die Nachfrage noch ungewöhnlich hoch. Für 2025 gebe es bereits eine Menge früher Buchungen. Ob das gut oder schlecht ist, müsse man abwarten. „In vielen Fällen ist es schlicht die Angst der Kunden vor Preiserhöhungen oder teureren Flugtickets“, so Barceló.

Der Biologe Xavier Pastor, Mitgründer von Greenpeace in Spanien, äußerte sich zufrieden mit der Tatsache, dass die Debatte über Massifizierung und die Grenzen des Tourismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. „Es hat sich etwas geändert im Vergleich zu den Vorjahren”, sagte er. Es seien überhaupt keine Klagen der Hoteliers zu vernehmen. Das sei in der Vergangenheit anders gewesen. „Früher lief die Saison augenscheinlich gut und es gab trotzdem reichlich Beschwerden.”

Diese gibt es auch in diesem Jahr, allerdings kommen die Klagen aus anderen Tourismusbranchen. Für Bars und Diskotheken etwa verlief die Saison in den meisten Touristenorten eher durchwachsen. Die Einnahmen hätten in diesem Sommer um 15 Prozent unter denen im selben Vorjahreszeitraum gelegen, sagt Miguel Pérez Marsá, Präsident des Branchenverbandes Abone. Der Rückgang trifft vor allem die touristischen Hotspots wie Magaluf, Santa Ponça, Alcúdia und Cala d’Or. Viele Betriebe hätten daraufhin deutlich früher geschlossen als erwartet.

„Der September war kompliziert, viele Lokale hatten nur an den Wochenenden geöffnet und die Besucherzahlen blieben hinter den Erwartungen zurück”, erklärt Pérez Marsá und verweist auf das Ende des sogenannten „Champagner-Effekts” nach der Pandemie, als die Menschen bereit waren, auf Reisen besonders viel Geld auszugeben. Diese Euphorie sei abgeflacht, die Ersparnisse, die während der Pandemie angesammelt wurden, seien aufgebraucht, während die Kosten für Flüge und Unterkünfte stark gestiegen sind. „Touristen reisen weiterhin, aber sie haben weniger Geld zur Verfügung.”

Das betrifft auch den Gastronomiesektor. Laut Juan Miguel Ferrer, dem Vorsitzenden des Branchenverbandes Caeb Restauració, ist die Lage geradezu dramatisch. Schon im Jahr 2023, das ein gutes Jahr für die Branche gewesen sei, hätten 186 Lokale auf der Insel geschlossen. „Für das Jahr 2024, das für den Sektor sehr schwierig ist, rechnen wir mit einer Verdreifachung, und wir schließen nicht aus, dass unsere Prognosen übertroffen werden”, sagt Ferrer.

Vor allem die hohen Kosten aufgrund der Insellage seien Schuld daran. „Die Rohstoffe sind teurer als auf dem Festland, wir zahlen bis zu viermal mehr für die Miete, wir haben den teuersten Tarifvertrag des Landes, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, Personal zu finden, da wegen der hohen Mieten immer weniger Leute nach Mallorca kommen wollen.“ Die Unternehmensgewinne seien in den letzten Jahren von etwa 20 Prozent auf sieben Prozent gesunken, sagt Ferrer. Immer mehr Unternehmen schrieben in mehreren Monaten des Jahres rote Zahlen.

Die Schwierigkeiten der Arbeitnehmer in der Tourismusbranche betont die Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO) in ihrem Saisonfazit. In einer kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellten Arbeitsmarktstudie heißt es: „Die wirtschaftliche Lage auf den Balearen stellt eine komplexe und neuartige Situation dar.” Einerseits deuteten die makroökonomischen Daten auf eine noch nie dagewesene Verbesserung und einen Aufschwung hin. „Auf der anderen Seite werden die Angehörigen der Arbeiterklasse von Tag zu Tag mehr benachteiligt.” Es sei für sie immer schwieriger, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen und ihr Lebensprojekt zu verwirklichen.

Die Arbeitsmarktdaten seien zunächst einmal positiv. Die Arbeitslosenquote habe im dritten Quartal des Jahres balearenweit bei gerade einmal sechs Prozent gelegen. Das bedeute zwar einen leichten Anstieg im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum, die Quote liege aber weiterhin deutlich unter dem spanienweiten Wert, der zwölf Prozent beträgt. Positiv sei auch, dass die Schwankungen der Arbeitslosenquote zwischen Haupt- und Nebensaison mittlerweile viel geringer ausfallen als früher. Die jüngsten Arbeitsmarktreformen hätten ihre Wirkung entfaltet und führten zu einer Zunahme der unbefristeten Arbeitsverhältnisse.

Dennoch gebe es reichlich Verbesserungspotenzial, heißt es in der CCOO-Studie. „Wir können uns nicht mit den Rahmendaten zufrieden geben, solange die Arbeiterklasse an Kaufkraft verliert und es immer mehr Arbeitnehmer gibt, die an der Armutsgrenze leben.” Problematisch seien vor allem das große Ungleichgewicht zwischen Lebenshaltungskosten und Gehältern sowie die Wohnungskrise. Dies führe dazu, dass immer mehr Arbeitnehmer die Insel verlassen und viele Belegschaften nicht ausreichend besetzt sind. Das wiederum führe in vielen Fällen zu überhöhter Arbeitsbelastung.