Touristen vor der Kathedrale von Palma de Mallorca. | iStockphoto.com/Olga Gillmeister

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Das Rattern der Rollkoffer verrät die beiden Touristen schon von weitem. Mal bleiben die jungen Männer stehen und starren auf ihre Mobiltelefone, dann blicken sie sich suchend um, wechseln kurz ein paar Worte und gehen weiter. Schließlich haben sie ihr Ziel erreicht: ein mehrstöckiges Wohnhaus mitten in Palma de Mallorca, etwas außerhalb des Innenstadtrings. Aus einer Autowerkstatt im Erdgeschoss stinkt es nach Abgasen, nebenan dreht sich in einem Dönerladen der Fleischspieß. Eine ganz normale Wohngegend, in der es nichts Besonderes zu sehen gibt und in die sich daher kaum ein Urlauber verläuft. Oder besser gesagt: verlief. Denn seit einiger Zeit kommt es immer wieder vor, dass es Touristen hierher verschlägt.

Die beiden Männer telefonieren mittlerweile mit jemandem, der ihnen etwas zu erklären scheint. Nur bei genauem Hinsehen ist zu erkennen, dass hier ganz offensichtlich eine Ferienwohnung vermietet wird. An der Hauswand ist ein kleines Kästchen befestigt, dass sich mit einem Nummerncode öffnen lässt. Dann hält einer der beiden Männer den Hausschlüssel in der Hand und wenig später fällt die schwere Eingangstür hinter ihnen ins Schloss.

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Ein Graffiti gegen den Ferienvermietung an einer Straßenecke. Foto: Archiv

Szenen wie diese spielen sich in vielen Städten der Welt tagtäglich zigtausendfach ab. Immer mehr Reisende wollen nicht im Hotel absteigen. Statt mit unzähligen anderen Touristen im Urlauberort zu hocken, wollen sie lieber Eintauchen ins Leben der Einheimischen. Authentisch, individuell, selbstbestimmt, lautet das Motto. Internetplattformen wie Airbnb und Booking machen es möglich. Für viele Immobilienbesitzer bedeutet das veränderte Reiseverhalten willkommene Zusatzeinnahmen. Mallorcas Ferienvermietungsverband Habtur verweist darauf, dass die Branche zur Belebung vor allem vieler kleinerer Gemeinden im Inselinneren beigetragen habe. Laut der EU-Statistikbehörde Eurostat wurden im vergangenen Jahr europaweit 719 Millionen Übernachtungen bei den verschiedenen Anbietern gebucht. Spitzenreiter ist dabei Frankreich (159 Millionen Übernachtungen), gefolgt von Spanien (141 Millionen).

Auf Mallorca vor allem Palma betroffen

Dass Mallorca und insbesondere Palma da keine Ausnahme sind, verwundert nicht. Der Haken an der Sache: In der Inselhauptstadt ist die Ferienvermietung in Mehrfamilienhäusern verboten. Bereits 2018 entschied die Stadtverwaltung, dem Geschäft endgültig einen Riegel vorzuschieben, damit die Lage auf dem zunehmend angespannten Wohnungsmarkt nicht eskaliere. Vergebens. Während es auf den einschlägigen Internetseiten weiterhin unzählige Ferienvermietungsangebote auch in Palma gibt, finden Normalverdiener auf Mallorca kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Der Unmut darüber ist einer der Auslöser für die tourismuskritischen Proteste, die sich seit einigen Monaten auf der Insel häufen. Die erste Großdemonstration im Mai stand ganz im Zeichen der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt. Bezeichnenderweise ausgehend von einer Bürgerinitiative in Sencelles, einem Dorf mit noch nicht einmal 4000 Einwohnern im Herzen der Insel.

Mittlerweile herrscht Konsens darüber, dass die Bekämpfung des illegalen Angebots Priorität haben muss. Vor allem die Hoteliers, die in der Ferienvermietung seit je her unerwünschte Konkurrenz im Geschäft mit den Urlaubern sehen, lassen keine Gelegenheit aus, den Sektor zu kritisieren. Aber auch die Ferienvermietungsbranche selbst fordert ein härteres Durchgreifen gegen die illegalen Anbieter. Diese schadeten dem Ansehen des gesamten Sektors, räumt man bei Habtur ein. Mittlerweile stehen auf Mallorca offiziell 104.000 Betten in etwa 12.000 Immobilien zur touristischen Vermietung bereit – etwa jeder vierte Übernachtungsplatz auf der Insel. Wie groß das illegale Angebot ist, weiß kein Mensch.

Welche Dimensionen das Problem angenommen hat, lässt sich allerdings erahnen. Zahlen des spanischen Statistikamtes zufolge kamen im vergangenen Jahr rund 2,3 Millionen Touristen auf den Balearen nicht in einem Hotel oder einer offiziellen Ferienimmobilie unter. Zumindest ein Teil dieser Urlauber dürfte in illegalen Unterkünften abgestiegen sein. Vor wenigen Wochen erst kamen die Kontrolleure des Inselrats einem Mann auf die Schliche, der in Palma drei komplette Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 29 Wohnungen und rund 200 Übernachtungsplätzen touristisch vermarktete. Ihm droht nun eine Geldstrafe, die in die Hunderttausende gehen könnte.

Bis es so weit ist, wohnen dort allerdings weiterhin Touristen, wie am Dienstagmittag unschwer zu erkennen war. Auf einer Balustrade hingen Handtücher, auf einem Balkon schüttelte eine blonde, junge Frau ihren Rucksack aus, zwei junge Männer in Badelatschen zogen los in die nahe gelegene Frühstücksbar. An die Eingangstür eines der Häuser hat jemand einen Aufkleber gepappt: „Dies war einmal ein Zuhause”, steht darauf zu lesen.