Marcell Jansen ist 32. Anders als mancher Altersgenosse spielt er schon längst nicht mehr professionell Fußball. 2015, da war er erst 29, machte der gebürtige Mönchengladbacher Schluss. Viele verstanden das nicht. Unter anderem meinte Rudi Völler, dass jemand, der ohne Not so früh seine Karriere beendet, den Fußball nie wirklich geliebt haben könne. In der öffentlichen Auseinandersetzung hielt Jansen dagegen und sagte, dass er das Fußballbusiness nie geliebt habe. Es habe ihm aber viel ermöglicht.
Heute kickt er wieder, wenn es die Zeit erlaubt. In der dritten Mannschaft des Hamburger SV. Dort, wo er die letzten sieben Jahre vor dem Abschied sein Geld verdiente. Jetzt betreibt er Amateursport pur.
Als er die Karriere beendete, hatte er Angebote und hätte "leicht noch viel Geld verdienen können". "Mir war aber die Langfristigkeit wichtiger, als zum Beispiel ins Ausland zu gehen, nochmal ein anderes Wappen zu küssen und so zu tun, als ob ich mich mit dem Verein identifiziere", meint Jansen im Gespräch mit MM. "Mit meinen drei Vereinen habe ich mich immer identifiziert." Der Defensivmann schaffte den Durchbruch beim Heimatclub Borussia Mönchengladbach, ging dann für ein Jahr zu Bayern München und wechselte danach zum HSV.
Jansen hat seit etwas mehr als einem Jahr eine Wohnung in Palmas Außenbezirk Gènova und verbringt, wann immer es möglich ist, ein paar Tage auf Mallorca. So auch jetzt wieder. Dank einer Punktlandung ohne Flugverspätung konnte er mit zwei Freunden das WM-Aus der Deutschen gegen Südkorea in seinem mallorquinischen Heim gucken. Das Urteil von Marcell Jansen fällt ähnlich aus wie das der meisten Experten: "Es war hochverdient, dass wir rausgeflogen sind. Drei Spiele, davon nur die zweite Halbzeit gegen Schweden annähernd ordentlich, ich meine ordentlich, nicht gut. Alles andere war eines Weltmeisters nicht würdig. Uns ist das passiert, was auch schon andere Nationen erlebt haben, nachdem sie Weltmeister geworden sind. Es muss jetzt eine neue Ära beginnen, ein Umbruch muss stattfinden."
Dass dieser Umbruch mit Jogi Löw vollzogen werden kann, davon geht Marcell Jansen aus. "Er hat die Qualität, sonst hätte er nicht seit 2006, anfangs noch zusammen mit Jürgen Klinsmann, so gute Arbeit geleistet. Die Erfolge kamen nicht von ungefähr.
Die Frage ist nur, ob er den Mut besitzt, den Umbruch auch gnadenlos durchzuziehen."
Eines der viel diskutierten Probleme war in den vergangenen Wochen das Treffen von Özil und Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Jansen meint zwar, dass man sich die Familiengeschichte der beiden Spieler genau anschauen sollte, bevor man ein Urteil fällt, räumt aber auch ein, dass viele Fußballprofis heutzutage schlecht beraten seien. Weder von Managern noch von der Familie würden sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, weil die möglichen Kritiker aus dem engeren Kreis von ihnen profitieren.
Jansen ist dankbar dafür, dass das in seiner Familie anders war. Durch seine Erziehung habe er sich die Bodenständigkeit erhalten. "Mein Papa hat gesagt, mehr als zwei Schnitzel gehen eh nicht. Beim dritten wird dir langsam übel. Auf der Toilette muss ich genauso die Spülung drücken wie jeder andere." Wenn solche Aussagen gelobt werden und man sich freut, dass Marcell "so geerdet" sei, dann meint er: "Dafür müsst ihr mich nicht loben. Wenn das nicht so wäre, dann wäre ich dämlich, weil ich mir nur selber schaden würde."
Sein frühes Karriereende war Kalkül. "Es ging mir darum, den Rucksack zu haben, der mich durch die nächsten 30 oder 40 Jahre bringt. Dass ich weiß, warum ich morgens aufstehe, dass ich Ziele habe, dass ich etwas vorantreiben will."
Marcell Jansen war in der komfortablen Lage, mit dem Geld, das er im Fußball-Business verdient hat, eine Basis für neue Geschäfte zu haben. Heute gründet er mit einer Beteiligungsgesellschaft Firmen. So zum Beispiel moderne Sanitätshäuser. Zusammen mit TV-Koch Steffen Henssler hat er am Flughafen Köln-Bonn die erste Filiale von "Ben Green", einer Fastfoodkette mit gesundem Essen, eröffnet. In Hamburg ist er Mitinhaber eines Konditorei-Cafés, das glutenfreie Törtchen anbietet. Neben vielen anderen Projekten gibt es auch eine App, die Gruppen und Vereinen eine neue Möglichkeit der Präsentation ermöglicht. In den Bereichen Sport, Lifestyle, Gesundheit und Digitalisierung hat Jansen noch viel vor: "Alle Gründungen und Beteiligungen, die ich mache, müssen einen Mehrwert für die Menschen haben. Ob die es dann annehmen, sei dahingestellt."
(aus MM 27/2018)
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