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Sich mit „Invisible Man” zu unterhalten, ist gar nicht so einfach. Der „unsichtbare Mann” hat keinen Namen und, was schwerer wiegt, kein Gesicht. Unfreiwillig schaut man ihm beim Reden in die schwarze Sonnenbrille, auch die Frage „Wo sind denn deine Augen?”, hilft nicht wirklich weiter, man sieht sie nicht. Egal, viel reden will „Invisible Man” sowieso nicht, obwohl er sogar ein paar Brocken Deutsch spricht. Wie sein Kollege „Micky Maus”, der ihm auf der Plaça Major schräg gegenüber steht und sich vor allem mit Kindern und Eltern fotografieren lässt, möchte der Straßenkünstler inkognito bleiben. Sie werden wissen, warum. In Krisenzeiten wie diesen sei es schwierig, über die Runden zu kommen, man müsse sehen, wo man bleibt, und nichts wäre dabei weniger hilfreich als behördliche Nachfrage nach irgendwelchen Genehmigungen.

„Zorro”, im wahren Leben Neco aus Bulgarien, der ein paar Meter weiter auf einer mit schwarzem Tuch verhängten Kiste steht, ist da schon etwas auskunftsfreudiger. Seit drei Monaten sei er auf der Insel, eigentlich trete er gemeinsam mit einem Freund als Straßenmusiker auf, aber da der noch nicht auf Mallorca sei, mime er solange den „Zorro”. Vier, fünf Stunden stehe er täglich hier, ganz schön hart sei das, vor allem die Sonne. Immer wieder ruft er Passanten ein aufmunterndes „Señor” oder „Hey” hinterher und zeigt mit seinem schwarzen Schwert auf die Schale vor sich, in der sich erst eine überschaubare Menge an Münzen angesammelt hat: „Das ärgert mich, dass so viele im Vorbeihuschen ein Foto machen und keinen Cent übrig haben.” So habe er nach vier, fünf Stunden um die 30 Euro verdient, oft noch weniger.

Da scheint es „Shrek”, der heute neben der Kathedrale anzutreffen ist, einfacher zu haben. Der – passend zu seinen sonstigen Dimensionen – nicht gerade kleine Bastkorb vor ihm ist mit Münzen schon gut gefüllt, dank der vielen Kinder, die bei seinem Anblick verzückt auch die Eltern automatisch den Fotoapparat zücken lassen. Er kommt wohl aus Estland, viel erzählen will „Shrek” heute aber nicht. Vielleicht, weil er kürzlich einer spanischen Lokalzeitung gegenüber sehr, vielleicht zu offenherzig über seine Tageseinnahmen berichtet hat, die sich im dreistelligen Bereich bewegen sollen. Verwunderlich wäre das nicht. Wem der Nahanblick des grünen Riesenkugelkopfes nicht wenigstens ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubert, dem muss schon sehr traurig zumute sein.

Auch für den „Pistolero”, der in eindrucksvoller Schießpose einige Meter weiter unbewegt auf einer Holzkiste steht, ist heute ein guter Tag: „Donnerstags legen die Schiffe an”, sagt der Cowboy, und Touristen seien „am großzügigsten”. Deshalb bleibt er heute bis abends, sonst ist sein Arbeitstag meist gegen 14 Uhr beendet. Seine Aufmachung hat sich also richtig gelohnt, nicht nur die Kleidung ist komplett schlammfarben, auch Gesicht und Hände sind mit Tonerde eingefärbt. Für die Verkleidung brauche er nur knapp 30 Minuten, inklusive Schminke. Und die macht ihm heute am meisten zu schaffen: „Ganz schön heiß da drunter.”