Zustimmung bis Ablehnung – so
unterschiedlich haben Mallorcas Hoteliers die Forderungen von
Europas größtem Reisekonzern TUI aufgenommen. Bei der Präsentation
des Winterprogramms der TUI Deutschland in Fleesensee vor einer
Woche hatte TUI-Chef Volker Böttcher deutlich Kritik an der
Tourismusindustrie auf der Insel geübt.
Böttcher forderte von den Hoteliers mehr All-inclusive-Angebote
für den Sommer 2011. Zum anderen drohte der Konzernvorstand damit,
vereinzelt touristische Zonen aus dem Winterprogramm der TUI zu
streichen, falls das dortige Komplementärangebot nicht ausgebaut
werde. Im Klartext: TUI-Gäste sollten im Winter im Inselosten nicht
ausschließlich vor geschlossenen Bars, Geschäften und Restaurants
stehen, wenn sie ihre Hotels verlassen.
Zum Hintergrund: Die Abhängigkeit Mallorcas von der Sommersaison
hat sich in den vergangenen Jahren intensiviert. Die Bemühungen,
das Urlaubsgeschäft auszuweiten, fruchteten wenig. So hatten von
Winter zu Winter zunehmend mehr Hotels länger dicht als früher.
Allein der zurückliegende Winter gilt als einer der schlechtesten
in der Geschichte des Mallorca-Tourismus. Parallel zu den Hotels
schließen auch die Komplementärbetriebe ihre Pforten immer länger.
Manche Urlaubsorte verwandeln sich im Winter in regelrechte
Totenstädte.
Pere Cañellas, Präsident der Hotelverbandes von Cala Millor im
Inselosten, stimmt den Forderungen der TUI zu. „Die haben recht.
Wenn alles zu hat, ist das für Gäste nicht attraktiv”, sagt der
Hotelier, der früher auch dem inselweiten Verband vorstand. Es sei
Zeit, dass die Gastronomen und Einzelhändler sich mehr anstrengten.
„Alle Hotels, die im Winter aufhaben, sind sehr daran interessiert,
dass ihre Gäste zusätzliche Angebote am Urlaubsort vorfinden.”
Andere Hoteliers auf Mallorca weisen auf den Widerspruch der
beiden TUI-Forderungen hin: Denn wo sich All-inclusive ausbreite,
so die Ansicht, schwinde das Komplementärangebot. Wenn Bars und
Lokale bereits im Sommer unter Einbußen zu leiden hätten, würden
sie sich im Winter erst recht nicht halten können.
„Wozu will die TUI mehr All-inclusive, wenn sie nicht einmal ihr
vorhandenes Bettenkontingent gefüllt bekommt”, ätzt ein Hotelier in
Palma.
Ähnlich sieht es Pere Cañellas in Cala Millor. Das auf Spanisch
„todo incluido” genannte Angebot sei keine Garantie für volle
Häuser. „Es gibt All-inclusive-Hotels, die leiden ebenfalls unter
Gästemangel.” Nach seinen Worten beträgt die All-inclusive-Quote in
Cala Millor derzeit 15 bis 17 Prozent. Prognose 2011? „Wenn die
Reiseveranstalter es so wollen, wird die Quote sicherlich im
nächsten Jahr ein paar Prozentpunkte steigen.”
Am Markt sei durchaus Nachfrage vorhanden für die verschiedenen
Verpflegungsarten Vollpension, Halbpension und todo incluido. Die
Zahl der Hotels, die alle drei Konzepte gleichzeitig anbieten,
werde steigen. Die Höhe des All-inclusive-Anteils sei nachrangig.
„Wichtiger ist, dass wir wieder mehr Werbung machen, damit mehr
Urlauber kommen.”
Die Resistenz der Hoteliers gegen (mehr) All-inclusive ist je
nach Zone unterschiedlich ausgeprägt. Beispiel Sóller: „Wir haben
hier schon vor Jahren beschlossen, auf gar keinen Fall
All-inclusive zuzulassen”, sagt der Vizepräsident des lokalen
Hotelverbandes, Jos Kuiper. „Das wäre fatal für unseren Ort, mit
seinem breiten Angebot an Lokalen und Cafés.”
Auch Matias Barceló vom Hotelverband in Cala d'Or hält
All-inclusive für „nicht ideal für uns”. Diese Verpflegungsart sei
geeignet für große und abseits gelegene Tourismuszonen ohne
ausreichende gastronomische Zusatzangebote. Die aktuelle Quote in
Cala d'Or liege bei 15 bis 20 Prozent. Eine Ausweitung in 2011 hält
Barceló für unwahrscheinlich.
Marilen Pol, designierte Präsidentin des mallorquinischen
Hotelverbandes und aktuell Chefin des Verbandes Palma-Zentrum,
sieht keinen Widerspruch in den TUI-Forderungen. Diese würden sich
ohnehin an der Nachfrage des Marktes orientieren. Gerade in
wirtschaftlichen Krisenzeiten möchten Familien Klarheit, was ihre
Urlaubskasse betrifft. Von daher die Tendenz zu All-inclusive.
Andererseits wünschten sich Touristen attraktive Urlaubserlebnisse.
Und dazu zähle neben guten Hotels eine breite Angebotspalette an
Gastronomie und Shopping – auch im Winter. „Unser Ziel muss sein,
hier das perfekte Gleichgewicht zu finden.” Francisco Marín,
Präsident des Hotelverbandes Playa de Palma, vermutet in dem
Vorstoß des Reiseveranstalters hingegen die Absicht, Druck auf die
Hoteliers auszuüben, um weitere Preissenkungen durchzusetzen. Die
Stimmung in der Übernachtungsbranche sei angesichts der Rabatte,
die sie bislang gewähren musste, ohnehin angespannt.
Hinzu kommen weitere Negativbotschaften: Zum 1. Juli steigt in
Spanien die Mehrwertsteuer für Tourismusbetriebe von sieben auf
acht Prozent. „Das ist ein zusätzliches Prozent weniger Einnahmen
in unserer Bilanz”, schimpft Marín.
Wenig verheißungsvoll verlief zudem bislang die Saison. In den
ersten fünf Monaten des Jahres wurden auf Mallorca 12'5 Prozent
weniger Touristen gezählt als vor einem Jahr. Balearenweit sind das
350.000 Besucher weniger. Der Anteil der Deutschen fiel um zehn
Prozent, bei Briten und Spanier sind es minus 16 und minus 14'3
Prozent. Hinzu kommt, dass bereits 2009 ein schwaches Jahr war, mit
11'2 Prozent Gästeschwund gegenüber 2008.
Derzeit richten sich die Hoffnungen der Branche auf das
Last-Minute-Geschäft für die Hochsaison. Und es gibt ein paar
positive Anzeichen: Im Mai fiel die monatliche Auslastung der
Hotels erstmals seit zwei Jahren wieder höher aus als im
Vorjahresmonat. Weiter soll die Türkei, Mallorcas Hauptkonkurrent,
weitgehend ausgebucht sein. Wer jetzt noch dorthin reisen wolle,
müsse auf andere Ziele ausweichen.
Spaniens Airports wiederum prognostizieren für das erste
Juli-Wochenende 3'4 Millionen Passagiere und damit 4'5 Prozent mehr
als vor einem Jahr. Und mit Ibiza befindet sich erstmals wieder
eine Balearen-Insel auf Wachstumskurs: Im 1. Quartal betrug das
dortige Bruttoinlandsprodukt 0'3 Prozent. Auf Mallorca verbesserte
es sich von minus 0'8 auf minus 0'4 Prozent.
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