Groß ist er nicht. Allenfalls etwas über
1'60 Meter. Dennoch vermag es der kleine Mann, allein mit seiner
starken Präsenz die Weite des Auditoriums zu füllen. 1700 Menschen
hängen an seinen Lippen. Die Eintrittskarten sind schon seit zwei
Wochen ausverkauft. Deepak Chopra schafft, was sonst nur angesagten
Rock- und Popbands gelingt - und das mit einer zweieinhalb
stündigen One-Man-Show mit minimaler Dramaturgie. Zwei
Lilienbouquets stehen links und rechts verloren auf der großen
Bühne, dazwischen wandert der referierende 63-Jährige auf und ab,
untermalt jeden Gedanken mit einer Kehrtwendung. Bedächtig, Schritt
für Schritt, die Hände aufgeräumt auf dem Rücken gefaltet. Die
Faszination aber geht von seinen Worten aus.
Über 50 Bücher hat der Experte in alternativer Medizin,
Spiritualität und der Verbindung zwischen östlichen Lehren und
westlicher Welt bereits veröffentlicht. Nach Mallorca ist er auf
Einladung des Unternehmens "Leadership in time" gekommen, in
Kooperation mit dem Verlag Grup Serra, in dem auch das Mallorca
Magazin erscheint. "Leadership in time" wird von dem in Costa
d'en Blanes ansässigen schwedisch-dänischen Ehepaar Liss und Onni
Nordström geführt. "Chopra ist erst der Appetizer", sagt Liss
Nordström vielversprechend - das Paar denkt bereits darüber nach,
welchen hochkarätigen Referenten sie als nächstes auf die Insel
holen werden.
Chopra spricht an diesem Abend vom Aufbruch in ein neues
Zeitalter. Von der Umkehr unserer Lebensphilosophie, einer
geistigen Kreuzung, an der der Mensch nun neue Wege einschlagen
muss. Von Bewusstwerdung. Seine Stimme ist ruhig, tragend, und
obwohl der gebürtige Inder seit Jahren in Nordamerika lebt, hat
sein Englisch immer noch eine indische Färbung. In den kommenden
zweieinhalb Stunden wird er tief vordringen in die Quantenphysik
und ihre Anwendung in Weltanschauung und Alltag. Keine leichte
Kost. Aber nicht umsonst gilt Chopra als einer der besten Redner
der Welt. Dabei ist es weniger seine ausgefeilte Rhetorik als die
Klarheit und Eingängigkeit, mit der er die komplizierten
Zusammenhänge präsentiert.
"Wir sind die einzige Spezies, der bewusst ist, dass sie sich
bewusst ist", sagt er, "aber was ist dieses Bewusstsein? Eines muss
uns klar sein: Unser Geist, das ist nicht unser Gehirn. Wir sind
nicht unser Gehirn, wir nutzen es nur. Unser Geist aber ist
außerhalb unseres Körpers, und er ist zeitlos, Teil eines einzigen,
allumfassenden Bewusstseins, das ist wie ein Feld der tausend
Möglichkeiten. Wir sind die Augen des Universums, das sich selbst
beobachtet."
Chopra greift spontan eine der Lilien aus der Blumenvase, zeigt
auf den Stengel. "Der sieht doch grün für sie aus, oder?" Doch das
sei nicht die Realität, sondern nur eine der tausend Möglichkeiten.
"Die Biene zum Beispiel nimmt die Blume nämlich ganz anders wahr
als wir. Letztlich kommen alle unsere scheinbaren Probleme nur
einer Missinterpretation der Realität."
Auch der Grund, warum manche glücklicher seien als andere, hänge
zu 50 Prozent mit der Interpretation der Dinge zusammen.
"Glückliche Menschen sehen auch in Problemen immer Möglichkeiten,
unglückliche dagegen sehen nur die Krise." Nicht die Lebensumstände
seien es ("Ein Jahr nach einem Lottogewinn sind Sie auch nicht
glücklicher als vorher, und fünf Jahre später sind die meisten
sogar noch unglücklicher"), sondern die Einstellung und die eigene
Bereitschaft. Anderen helfen, authentischer werden, laute die
Devise: "Die ganze Krise, in der wir im Moment stecken, kommt doch
daher, dass wir mit Geld, das wir nicht haben, Dinge kaufen, die
wir gar nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die wir gar nicht
mögen."
Doch wirklich vollkommen glücklich werde nur, wer auch Zukunfts-
und Vergangenheitsängste ablegen kann. Zum Beispiel die Angst vor
dem Tod. "Der Todesprinz kommt jeden Augenblick ein Stückchen
näher", Chopra blickt hinter sich, dann noch einmal. "Sehen Sie?
Schon wieder ein Stück näher". Der ganze Saal lacht. "Dabei sind
wir ja gar nicht getrennt von allem, sondern ein zusammenhängendes
Bewusstsein, so etwas wie ein großes Atmen. Das probieren wir jetzt
gleich einmal aus." Dann bittet er alle, die Füße unverschränkt und
fest auf den Boden zu stellen, die Augen zu schließen. 1700
Menschen finden sich plötzlich in Meditationspose wieder - darunter
viele wohl zum ersten Mal. Chopra fordert sie dazu auf, sich auf
ihren inneren Beobachter zu konzentrieren, dann dieses Bewusstsein
auf den ganzen Raum auszubreiten, auf die ganze Insel, das Land,
die Erde, das ganze Universum, schließlich lässt er ein indisches
Mantra sprechen.
Dann zeigt er einen Comicfilm zum Doppelspaltexperiment und der
Heisenbergschen Unschärfe-Theorie, einem wichtigen Element aus der
Quantenphysik: "Allein dadurch, dass wir die Art verändern, wie wir
etwas sehen, verändert sich etwas. Wir sind, wie die Welt ist",
betont er. Und wir seien immer im Wandel: "Der Körper ist keine
Struktur, sondern ein Prozess." Das, was wir als Körper begreifen,
sei im Grunde ja nichts anderes als wabernde Atome, die sich mit
jedem Atemzug neu zuammensetzten. "Im Grunde teilen wir hier also
eigentlich alle unsere Organe", sagt Chopra schmunzelnd und hat mal
wieder die Lacher auf seiner Seite. "Alle Atome, die dir gehören,
gehörten schon jemand anders. Jeder von uns hat sicher mindestens
eine Million Atome von Jesus Christus in sich". Als er das letzte
Mal in Spanien gewesen sei, habe er zwar den gleichen Koffer
mitgebracht, aber einen anderen Körper. Das menschliche Skelett
könne sich binnen einem Jahr zu 98 Prozent erneuern, und selbst die
Gene veränderten sich, wenn wir unseren Lebenswandel und die
Lebenseinstellungen änderten.
Am Ende der zweieinhalb Stunden erheben sich einige der Besucher
zu Standing Ovations. Ein kleiner Mann, ein großer Abend.
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