"Eine der Frauen kam zu mir und meinte, die
Medikamente hätten ihr so gut geschmeckt – da habe sie gleich alle
auf einmal aufgegessen ...“ Eva Marin Ortiz lacht, als sie sich an
die kleine Anekdote erinnert. Neun Wochen war die Ärztin, die vor
20 Jahren in Port d'Alcúdia als eine der ersten Deutschen eine
Praxis auf Mallorca eröffnete, in ihrem Urlaub in Indien.
Nicht um „wie so viele von Tempel zu Tempel zu ziehen“, wie sie
betont – Eva Marin wollte helfen. Und dabei das authentische Indien
kennenlernen, die Ärmsten der Armen, Menschen ohne Lobby und der
niedrigsten Kasten. Auf dem Moped und in Begleitung eines indischen
Sozialarbeiters, der für sie übersetzte, zog die 54-jährige Hessin
auf eigene Faust rund um Madurai durch die Dörfer, um für Frauen
und Kinder da zu sein. „Wir haben hier so viel Lebensqualität auf
Mallorca, dass es mein großer Wunsch war, davon etwas
abzugeben.“
Mit Rat und Tat unterstützt wurde sie von Cewas, einer
Nicht-Regierungsorganisation vor Ort, die 2006 von einer indischen
Anwältin gegründet wurde und sich vor allem für die rechtlichen
Belange von Frauen starkmacht. Viele leiden unter häuslicher
Gewalt, werden von ihren Männern verstoßen, zu knapp gehalten,
vergewaltigt, haben Alkoholprobleme.
Obwohl die medizinische Versorgung in Indien grundsätzlich
gewährleistet sei, sei die Situation der Frauen in den Dörfern eine
spezielle, betont Eva Marin: Außer einer Betreuung der Schwangeren
gebe es keine Versorgung, wer krank wird, muss sich in ein Hospital
einer näher gelegenen Stadt begeben. Doch wie – wenn weder ein
Fahrzeug vorhanden ist noch die Frauen wissen, wer sich dann um
Kinder und Haus kümmern soll?
„Die Schamgrenze ist auch sehr hoch, mit vielen Sorgen trauen
sie sich gar nicht zu den Ärzten.“ Zu Eva Marin aber fassten sie
schließlich Vertrauen: In jedem Dorf ließen sich 60, 70 Frauen von
ihr homöopathisch behandeln – wegen Weißfluss, Rückenbeschwerden,
Arthrose. „Dann kamen sie mit den Kindern, die laufende Nasen,
Husten, akutes Fieber hatten. Plötzlich wollten auch die Männer
behandelt werden“, Marin lacht, „es gab so viel zu tun, da hätte
ich Jahre bleiben müssen.“
Wichtig sei ihr, dass ihre Arbeit auch nach ihrer Abreise
weitergeführt wird, nur Hilfe zur Selbsthilfe war. Künftig wird
eine Cewas-Mitarbeiterin, die von einer kooperierenden Homöopathin
geschult wird, Marins Tätigkeit übernehmen. Die Ärztin wird das
Projekt von Mallorca aus finanziell weiterhin unterstützen, online
den Kontakt halten.
„Es ist so wichtig, dass sich jeder bewusst macht, dass auch der
kleinste Tropfen auf den heißen Stein etwas bewegen kann“, betont
sie, „auch in kleinem Rahmen für wenig Geld kann man Gutes tun.“
Sie habe Indien wegen der Menschen lieben gelernt – deren
Dankbarkeit sei ihr die größte Freude gewesen.
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