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Wenn Arne Timm an ein Mallorca der Zukunft denkt, dann stellt er sich zum Beispiel riesige Hanffelder vor. Das Klima wäre ideal für den Anbau dieses vielseitigen Rohstoffes, die Bauern könnten ihre Felder wieder ertragreich bewirtschaften, das Image Mallorcas würde vom Anbau des Industriehanfes als umweltverträglichen Rohstoff profitieren.

Es ist erst sieben Jahre her, da war der Norddeutsche reif für die Insel. Der heutige Mallorca-Resident war mit seinem zunächst profitablen Software-Unternehmen in Deutschland in den Abwärtsstrudel der New-Economy geraten, verlor seine Firma und musste bei null anfangen. Nach einem Jahr Auszeit in Kalifornien kam er 2002 mit Frau und Kindern nach Mallorca.

Er war es, der die ersten Funsportfahrzeuge wie die "Quads" oder "Buggies" von China nach Mallorca importierte, nach einem Testbericht in der "Bild am Sonntag" habe es im Sommer 2004 einen wahren Boom auf die Dinger gegeben. Doch der Hype fand schnell Nachahmer, und der Tüftler in Arne Timm wurde wach. Er lebte fortan von Erfindungen wie dem "Ray-Board", einem Brett, an dem sich Schnorchler im Schritttempo hinter einem Motorboot herziehen lassen, oder dem "Liegestuhltretboot", einer Kombination aus Liege und Wasserfahrzeug, das den Erfinderpreis "Brand New Award" einheimste".

In dieser Phase lernte er auch den Deutschen Gordian Gasch kennen, der ebenfalls an der "Ray-Board"-Entwicklung beteiligt war. Der gelernte Kfz-Meister hatte früher für MAN Nutzfahrzeuge konzipiert und später auf Mallorca kleine U-Boote für Touristenfahrten umgebaut. Zwei Technikfreaks trafen sich, begannen, über Konzepte für ein umweltfreundliches Leichtbaumobil nachzudenken. Gasch war schon lange auf der Suche nach einem Auto gewesen, das ihm gefiel, aber die Suche blieb erfolglos. "Also entwickelten wir einfach selber eines." Das Konzept für den Elektrowagen "Nomo" entstand, getrieben von der Idee, "das umweltfreundlichste Auto der Welt" zu konstruieren. Doch als der Design- traum auf die Wirklichkeit stieß und es immer konkreter zur Sache ging, trennten sich Timm und Gasch wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die Realisierung des Projektes. Seit 2009 gehen sie getrennte Wege, doch beide halten an der Idee weiter fest.

Bei Gordian Gasch heißt das Projekt inzwischen "Gii", bei Arne Timm heißt das "E-Mobil" nach wie vor "Nomo". Auch wenn Wirtschaftsanalysten und Experten aus der Automobilbranche solchen Projekten keinerlei Zukunfts-chance geben, ist Timm von dem Konzept überzeugt, "weil wir glauben, dass nur solche Ideen - weg von der energie- und ressourceintensiven Plastik- und Metallverarbeitung und hin zu Produkten aus nachwachsenden, CO2-speichernden Rohstoffen - im Kampf gegen den Klimawandel Erfolg haben können".

Womit er wieder beim Hanf wäre, denn das "Nomo", so der Name des geplanten Elektroautos, soll Rahmen und Fahrwerk bekommen, das aus Hanffasern gefertigt wird. "Hanffaser hat eine hohe strukturelle Festigkeit, die durch spezielle Imprägnierungen über mehr als 100 Jahre gewährleistet ist. Ein Hektar Land könnte den Rohstoff von 25 Fahrzeugen pro Jahr liefern." Der Clou: Durch die Fertigung aus Naturfaser sei der Nomo ein rollender CO2-Speicher, und erziele so als erstes Auto langfristige positive ökologische Effekte. "Und Mallorca ist für uns ein geeigneter Standort", sagt Timm. "Hier gibt es keine metallverarbeitende Industrie, die sich ideologisch bedrängt fühlen könnte, aber die Insel hat - als eines der bedeutendsten Yachtsportreviere der Welt - gute Ressourcen in der Verbund-stoffverarbeitung.

Doch so weit ist das "Nomo-Projekt" noch nicht. Vorerst gibt es zwei Partner - einen spanischen Ingenieur und Designer in Barcelona und einen Projektplaner in Deutschland - sowie die Konstruktionspläne und die Hoffnung, dass sich Sponsoren finden, um vielleicht noch in diesem Jahr den ersten Prototypen zu konstruieren. Aus 250 Teilen soll der "Monocoque", dessen Form an einen Formel-1-Wagen erinnert, bestehen. Zum Vergleich: Ein VW Golf besteht aus über 10.000 Teilen, aus denen in über einer Million Arbeitsschritten ein Auto gebaut wird. "Weniger Teile bedeuten geringeren Konstruktions- und Fertigungsaufwand, das schafft Spielräume für die Preisgestaltung." Denn am Ende, so erklärt Timm, solle das Auto nicht mehr als 15.000 Euro kosten. Dafür bekommen umweltbewusste Kunden dann ein Leichtbau-Fahrzeug für zwei oder vier Personen. Der erforderliche Ladestrom werde durch ein vier Quadratmeter Solarpanel oder ein Solar-Carport generiert. Geschwindigkeit, Kilometerzähler, Akku-Temperatur und Ladestand oder Navigation werden über ein Touch-screen-Display dargestellt, die "Fenster-Türen" könne man so hochklappen, dass sich der Nomo in zwei Handgriffen zum Cabrio verwandelt. Vier bis sechs Stunden oder 130 Kilometer könne man dann mit dem Auto unterwegs sein, mit Wechselakkus sogar länger.

Medien wie "Der Spiegel", das "Managermagazin" und das Wirtschaftsmagazin "brand eins" berichteten schon über das Projekt, die Zeitschrift "Neon" zählt den "Nomo sogar zu den 33 wichtigsten Projekten gegen den Klimawandel.

Doch vorerst gilt es, rund 350.000 Euro aufzutreiben, um den ersten Nomo auf die Straße zu bringen. Eilig hat Arne Timm es nicht, seine inzwischen fünfköpfige Familie lebt unter anderem von Lizenzen an früheren Erfindungen und Zahlungen aus einer Hamburger Forschungsstiftung, für die Timm ökonomische und ökologische Grundlagenforschung betreibt. "Ich warte lieber, bis die Zeit reif ist, als mich einem Investor zu verschreiben, der alles an sich reißt", sagt der Deutsche. Dass Autos wie der "Nomo" Zukunft haben, davon ist er überzeugt.