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Modebewusstsein und Sparsinn können durchaus Hand in Hand gehen. Warum den topaktuellen Mantel im 50er Jahre-Stil, Shirt und Jeans im angesagten 80er-Look oder das Kleid mit den bunten geografischen Mustern, wie man sie sowohl Mitte der 70er trug als auch heute, in einer teuren Boutique erstehen, wenn es auch günstig geht? Second-Hand ist das Zauberwort für Fashionvictims, die sich gerne besonders individuell kleiden. Und weil Second-Hand so "abgegriffen" klingt, ist in der Modewelt seit wenigen Jahren nur noch von "Vintage" die Rede - meint das Gleiche, klingt aber schicker.

"Diesen Mantel gibt es garantiert kein zweites Mal mehr", sagt Maria Gallardo und hält ein ausgefallenes Stück aus Kunstfell hoch. Dass der sicher schon 30 Jahre auf dem Buckel hat, sieht man ihm nicht an. "Die meisten Sachen sind so um die 15 Jahre alt. Aber viele, die zum ersten Mal vorbeikommen und es nicht wissen, können es oft kaum glauben, dass die Sachen gebraucht sind." Vor acht Monaten hat die Andalusierin ihre Second-Hand-Boutique "Berlin 20" in Palma eröffnet. Ein halbes Jahr hat sie in der deutschen Hauptstadt gelebt, sich in sie verliebt. "Der Name passt irgendwie, denn in Berlin gab es immer schon viele solche Läden, aber jetzt in der Krise haben nochmal wahnsinnig viele aufgemacht."

Gebrauchtwaren boomen in der schlechten Zeit, viele Second-Hand-Läden haben in den letzten Monaten eröffnet. Und dabei spielt getragene Kleidung noch eher die kleinere Rolle. Es gibt kaum etwas, was man mittlerweile nicht mehr aus zweiter Hand erstehen könnte. Oder sogar eintauschen. "Change to change" nennt sich ein Laden mit buntem Sammelsurium vom Fahrrad über den Füller bis hin zum Buch, Kinderwagen oder einem Bügeleisen. Die ausgezeichneten Preise seien nur "Richtwerte" betont Pepe Bastida, der das Geschäft vor einem Jahr zusammen mit José Miguel Miró eröffnet hat. Wer mag, kann hier gebrauchte Gegenstände gegen andere eintauschen, Dinge erstehen oder auch zu Geld machen. Ausgezahlt wird immer sofort und rund ein Viertel des geschätzten Wertes. "Die Krise war vor einem Jahr ein gutes Motiv, das Geschäft zu eröffnen", erinnert sich Bastida. "Man merkt es ganz deutlich: Dinge, die früher einfach weggeworfen wurden, versuchen die Leute jetzt irgendwie noch zu Geld zu machen. Das nimmt teilweise natürlich auch extreme Ausmaße an - man will uns alles andrehen, von der Mehrsteckdose bis hin zum Regenschirm!"

Ähnliche Erfahrungen haben Monika Datz und ihr Mann Michael Hoffmann mit ihrem Second-Hand-Shop "A-Z Dahoff" in Llucmajor gemacht. "Im November und Dezember hatten wir mehr Ankauf als Verkauf. Viele bringen uns dabei nicht nur Gegenstände, die sie selbst nicht mehr brauchen, sondern sie trennen sich davon, weil sie Geld brauchen."

Seit dreieinhalb Jahren führen sie mittlerweile das Geschäft, die Nachfrage ist so enorm, dass sie im März 2009 in eine größere Halle im Industriegebiet umziehen mussten. Und sogar teilweise Gebrauchtes importieren: "Bei Weißware ist die Nachfrage so groß, dass wir mittlerweile Waschmaschinen aus Berlin anliefern lassen." In ihrem Lager findet der Käufer alles vom Sofa über den Tisch, bis hin zum Dekoartikel, "auch ein Boot oder ein Auto können wir manchmal anbieten". Nur bei Kleidung sei die Käuferschaft eher zurückhaltend, vor allem die spanische. "Wir hatten einmal ganz viel tolle Kinderkleider bekommen, haben das Stück für 50 Cent abgegeben, aber gekauft haben sie nur unsere deutschen Klienten."

Auch Maria Gallado kennt diese Zurückhaltung ihrer Landsleute: "Meine Kunden sind sehr international, sind meist viel gereist und schon gewöhnt, Second-Hand zu kaufen." Gerade bei Kleidung bräuchten die Spaniern oft mehrere Anläufe, bis sie sich das erste Mal an etwas "Abgelegtes" trauten. "Ich habe zwar mitten in der Krise eröffnet, das heißt aber nicht, dass Leute, die wenig Geld haben, nun automatisch zu mir kommen, weil es günstig ist. Wer bislang immer nur Neuware getragen hat, wird das auch dann noch tun, wenn sich seine Finanzen einschränken." Allerdings beobachte sie neuerdings ein Umdenken, das die Wirtschaftskrise mit sich bringe, "so langsam wird Second-Hand Kleidung auch auf Mallorca ein Thema".

Gebrauchtes ist im Kommen. Vor allem wohl auch, weil die Qualität der Artikel, die nichts mit Flohmarktware gemein haben, stetig steigt. Da die meisten Läden alles direkt ankaufen, statt die Dinge in Kommission zu nehmen, findet eine strenge Vorauswahl statt. Und die kommt der Kauflust zugute. Und der Sicherheit: "Alles wird bei uns polizeilich geprüft, damit sich keine Hehlerware einschleichen kann", betont Vanessa Rodriguez von "Antesdesubastarlo". Seit vier Jahren betreibt das mallorquinische Unternehmen neben Filialen in Madrid, Barcelona und Valencia einen Second-Hand-Shop in Palma, vor knapp zwei Monaten eröffneten sie hier eine zweite Filiale.

Schön dekoriert in Glasvitrinen werden hier Montblanc-Füllfederhalter, edle Uhren oder auch Schmuck angeboten - in einem separaten Raum hängt Second-Hand-Kunst. "Wir kaufen aber nur Werke namhafter Künstler an", erklärt Rodriguez, das sei nicht nur für Kunstinteressierte eine spannende Sache. "Wer das Bild über seinem Sofa mit der Zeit leid geworden ist, kann sich hier für wenig Geld ein wenig Abwechslung in die eigenen vier Wände holen."