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Mallorca Magazin: Die Balearen als Kulturhauptstadt Europas 2016 – das wäre eine Sensation. Im September haben Sie das Projekt zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Was hat sich seitdem getan?
Hubert Georg Feil: Wir arbeiten mit Hochdruck an Konzepten und dem Masterplan für die Kandidatur. Wir führen Gespräche mit Politikern und Medien, mit Künstlern, Architekten, Kulturschaffenden, Historikern, Touristikern, Unternehmern, mit Philosophen und mit den Kirchen. Und wir befinden uns im Dialog mit den Institutionen der balearischen Inseln und dem Ministerio de Cultura in Madrid. Es werden für jede Insel „Advisory Boards“ geschaffen, mit Repräsentanten von Institutionen und Experten. Europäische Experten wurden mit ins Boot geholt. Wir machen Lobbying in Brüssel und bei europäischen Kulturinstitutionen. Dafür konnten wir auch den bekannten mallorquinischen Hollywood-Schauspieler Simón Andreu als weiteren Botschafter von „Illes Balears 2016“ gewinnen.

MM: Lord Andrew Lloyd Webber konnten Sie schon in gleicher Eigenschaft dafür überzeugen. Was im In- und Ausland positiven Niederschlag fand. Warum war Ihnen gerade Simón Andreu so wichtig?
Feil: Simón Andreu ist ein Kenner und Liebhaber der balearischen Kultur. Er ist international bekannt. Und er ist Mallorquiner. Die Menschen auf den Balearen und auch auf dem spanischen Festland lieben ihn. Seine Stimme, sein Engagement hat Gewicht, auch in der Politik.

MM: Wer hat Ihnen bislang Unterstützung zugesichert?
Feil: Derzeit ist eine große Petition für das Parlament der Balearen in Arbeit. Darin bekennen sich mehr als 120 Institutionen der Balearen und Organisationen zur Kandidatur. Wir gewinnen ständig neue Förderer. Air Berlin war als Unternehmen von Anfang an dabei. Um einige weitere Unterstützer zu nennen: Hotelvereinigung Palma; Stadtverwaltung Inca; Rotary Club Palma Ramon Llull; Denkmalschutzverein ARCA; Fundació Mallorca Turisme; Institut d'Estudis Baleàrics; Industrie- und Handelskammer Menorca; Foment del Turisme de Mallorca; Palma Pictures; Bodegas Macià Batle; Jazz Voyeur Festival.

MM: Und die Tourismusunternehmen?
Feil: Selbstverständlich. Die großen europäischen Tourismus-Konzerte müssen Interesse am Konzept eines ganzjährigen Kulturtourismus und der damit verbundenen Qualitäts-Offensive für die Balearen haben. Aber: Wir machen das Projekt nicht für die Tourismus-Industrie. Die Kandidatur ist zuerst ein Projekt für die Bürger und Bürgerinnen der Balearen. Allerdings wird der Tourismus große ökonomische Vorteile durch die Kandidatur erzielen.

MM: Im Juli 2010 präsentieren Sie die Bewerbung neben den anderen spanischen Bewerberstädten in Madrid vor einer europäischen Jury. Ende 2010 wird dann entschieden, wer von den spanischen Kandidaturen in die zweite Runde im Bewerbungsprozess kommt. Neben den Balearen (als Inselregion) bewerben sich Städte wie Alcalá de Henares, Burgos, Càceres, Cuenca, Las Palmas, Málaga, Pamplona, San Sebastian, Santander, Tarragona, Saragossa. Gibt es Kontakte unter den Mitbewerbern?
Feil: Spanische und polnische Bewerberstädte (es wird 2016 eine spanische und gleichzeitig eine polnische Kulturhauptstadt Europas geben) haben sich in Brüssel bei der Europäischen Kommission präsentiert. Der Kommission hat das Konzept einer Regionenbewerbung der Balearen gefallen, regionale Förderung ist ein großes Thema in der EU. Die Idee, zum ersten Mal in der Geschichte der Kulturhauptstädte eine Inselregion zu präsentieren, ist spannend und fasziniert.

MM: Gab es Kommentare der anderen spanischen Städte?
Feil: Natürlich beobachtet man sich gegenseitig mit großer Neugier. Aber jede Bewerberstadt ist durch die Kandidatur bereits Gewinner. Klar ist, dass die Balearen noch nicht auf der kulturellen Landkarte in Europa sind, die Kunst- und Kulturszene der Balearen ist Geheimtipp. Darin liegt für mich die Faszination der Bewerbung und eine persönliche Motivation: Den balearischen Inseln beim Wandel von einer wichtigen Tourismus-Destination (Sol y Playa, et cetera) in Europa zu einer nachhaltigen Kulturtourismus-Region erster Kategorie mit ganzjährigem Kulturtourismus zu helfen. Wobei das eine das andere nicht ausschließt.

MM: Bleiben wir einen Moment bei der Kunst- und Kulturszene. Was müsste da konkret getan werden?
Feil: Eine Steigerung der Qualität und deutliche Bekenntnisse von Kulturpolitikern und Unternehmen. Fokussierung auf weniger und dafür hochwertigere Kulturprojekte mit hohem internationalem Standard. Und natürlich eine Verbesserung in Kulturmanagement und PR. Informationen über Kunst- und Kulturprojekte müssen Touristen in den Hotels und vielleicht schon vor Reiseantritt oder im Flugzeug erreichen. Auch Kultur-Web-Sites müssen neben Català und Castellano zwingend ebenfalls in deutscher und englischer Sprache präsentiert werden. Um nur ein Beispiel zu nennen.

MM: Wie sind die Reaktionen der Balearen-Politiker auf das Projekt?
Feil: Die politische Situation auf den Balearen ist problematisch, vieles stagniert durch politische Konflikte. Politische Projekte und Entscheidungen gehen langsam voran. Deshalb ist eine privatwirtschaftlich organisierte Kandidatur die einzige Möglichkeit. Eine politische Initiative könnte jederzeit gestoppt werden, unsere Kandidatur nicht. Konkret: Manche Politiker wollen das Projekt „Illes Balears 2016“ instrumentalisieren. Wir müssen sehr viel Diplomatie anwenden. Die Stadt Palma de Mallorca zögert mit einem offiziellen Bekenntnis, aber wir sind optimistisch und hartnäckig. Erfolge zeichnen sich ab. Der neue Tourismusminister Miquel Ferrer Viver reagiert positiv. Die Presidència der Balearen-Regierung hat Mittel für die Jahre 2010 bis 2016 für die Kandidatur im Haushalt vorgesehen. Zahlen möchte ich nicht nennen. Aber es ist eine kleine erfreuliche Bewegung.

MM: Einer Studie zufolge steigert sich die Zahl der Übernachtungen in den jeweiligen Kulturhauptstädten um durchschnittlich zwölf Prozent. Ist das für die Balearen bei einer Zahl von etwa dreizehn Millionen Urlaubern überhaupt möglich?
Feil: Wer sagt denn, dass alles im Tourismus hier so weiter geht? Steigerungen sind nicht unbegrenzt möglich. Daher müssen neue und sehr qualitative Konzepte helfen. Selbstverständlich verkraftet die Inselregion mit der hervorragenden Infrastruktur einen ganzjährigen Kulturtourismus. Die ökonomischen Auswirkungen bei einem Titelgewinn für 2016 sind massiv. Liverpool hatte alleine im Kulturhauptstadt-Jahr 2008 einen wirtschaftlichen Nutzen von 892 Millionen Euro und 15 Millionen Besucher. Konservativ geschätzt dürften die Balearen als Kulturhauptstadt-Region 2016 einen ökonomischen Benefit von mehr als 1'5 Milliarden Euro erzielen. Dafür lohnt es sich schon zu kämpfen. Daher müssen alle Institutionen bereit sein, jetzt an einem Strang zu ziehen.

MM: Sie sagten, dass die Bewerbung zunächst eine von privaten Sponsoren finanzierte Initiative bleiben soll. Können Sie schon Sponsoren nennen?
Feil: Die Kandidatur wird von balearischen Familien, von Mäzenen, von Partnern und Sponsoren gefördert. Mäzene möchten naturgemäß nicht genannt werden. Natürlich akzeptieren und fordern wir auch öffentliche Gelder für die Sichtbarmachung der Kandidatur in den Städten, an den Flughäfen, bei der Präsenz auf internationalen Tourismus-Messen wie FITUR und ITB. Sponsoren werden sich individuell in den nächsten Monaten präsentieren.

MM: Wird es Projekte im Vorfeld geben?
Feil: Im Moment ist die Konzeption vorrangig. Dennoch werden ausgewählte Projekte die Kandidatur begleiten und Lust auf das Kulturhauptstadt-Jahr 2016 machen. Wesentlich ist die kreative Thematisierung von Vergangenheit und Gegenwart, Reflexion und kritische Auseinandersetzung mit aktuellen, auch sozialen Problemen und Fragestellungen zur Zukunftsfähigkeit der Balearen.

MM: Was wird im Bereich der Kunst passieren?
Feil: Die Kunstszene muss deutlich mehr Mut zeigen, frecher, spannender und internationaler werden. Wir erwarten uns mehr Kooperationsbereitschaft aus der balearischen Kunstszene. Für 2012 befindet sich eine neue Kunstmesse „art mare nostrum“ im neuen Kongresspalast in Diskussion. Es wird eine Messe nur für Kunst aus den Mittelmeer-Anrainer-Ländern sein.

MM: Welche Themenbereiche würden, falls die Balearen den Zuschlag bekommen, abgedeckt?
Feil: Unsere Kandidatur umfasst mehr als 20 Themenbereiche, darunter: Identität, Philosophie, Wissenschaft und Religion, Tourismus der Zukunft, soziale Kultur, Kunst aller Disziplinen, Sport und Kultur, Literatur, Naturschutz, Lebensart und balearische Küche, kulturelles Erbe und Geschichte, katalanische Sprache, altes Handwerk, populäre Feste, Musik (Klassik, Pop und Tradition), balearische Geschichte, neue Medien.

MM: Ihre Vision für die Kandidatur?
Feil: Die Kandidatur ist eine so schnell nicht mehr wiederkehrende historische Chance für die Balearen. Die Balearen besitzen ein enormes kulturelles Potenzial. Ein Modell für den Tourismus der Zukunft zu entwickeln, ist faszinierend. Das Spannungsverhältnis einer großen Geschichte im Mittelmeer-Raum mit romanischen, arabischen, islamischen, jüdischen, christlichen Einflüssen, den alten Handelswegen im Mittelmeer, dem Denken und der Spiritualität des Philosophen Ramon Llull in Einklang zu bringen mit der Gegenwart, ist unglaublich interessant. Die Inseln stecken voller Geschichten, die sie Europa noch erzählen können. Und die Kandidatur stärkt das Selbstbewusstsein von balearischen Künstlern, von Kulturschaffenden, von sozialen Institutionen, et cetera. Zentrales Thema der Kandidatur ist „Identität“. Die Kandidatur kann helfen, ein stärkeres „WIR-Gefühl“ auf und zwischen den Inseln zu schaffen.

MM: Was können Bürger der Inseln jeder Nationalität tun, um an dem Projekt wirklich mitzuwirken?
Feil: Interesse und Begeisterung zeigen. Die Aktion „Banco de Ideas 2016“ läuft. Professionelle Vorschläge mit klarem europäischem Fokus können an ideas@illesbalears2016. com gemailt werden. Auf Facebook gibt es eine Fanpage: „Illes Balears 2016“. Kulturhauptstadt kann Spaß machen, es ist wie eine Olympiade der Kulturen.