Was „der Duden” sagt, ist Gesetz in der
deutschen Sprache. Und doch hält Dr. Werner Scholze-Stubenrecht,
stellvertretender Duden-Redaktionsleiter, nichts von starren
Gesetzen, die ihrer natürlichen Wandlung im Wege stehen.
Schließlich habe schon Luther anders geschrieben und gesprochen als
Goethe und Thomas Mann, so der Experte. Sein Credo: „Die
Lebendigkeit der Sprache darf man nicht in ein zu enges Korsett
schnüren.”
Auf Mallorca ist Deutschlands „Rechtschreibpapst”, wie er –
spätestens seit seinem Auftritt im großen RTL-„Deutsch-Test” vor
knapp acht Millionen Zuschauern – gern auch genannt wird, um in
kniffligen Fällen beim „Zeit”-Scrabble-Turnier in Peguera als
Schiedsrichter aufzutreten (Seite 49): Steht das Wort auch wirklich
so im Duden? Wobei, so Dr. Scholze-Stubenrecht, die Dudenredaktion
keine „Sprachregisterbehörde” sei: „Wir sind ein Dienstleister, der
über die deutsche Sprache informiert.”
Duden-Redakteure, so glaubt er, nehmen ihr Werk besonders oft
zur Hand, da sie am besten wissen, wie komplex die deutsche Sprache
ist – von den rund 135.000 Wörtern seien ihm „80 bis 90 Prozent”
vertraut. Wer täglich mit dem Duden zu tun habe, lerne schnell,
dass „es keine Rolle spielt, was man selbst für richtig hält”: „Man
muss an die Quellen gehen.”
So schnell, wie sich Leben und Wissensstand ändern, so rasant
kann sich auch die Sprache ändern. Kann – muss aber nicht. Als der
Tennissport in den 1920er Jahren international bekannt wurde,
sprach man in Deutschland lange von Fore- und Backhand; heute sagt
man Vor- und Rückhand. Der Tiebreak ist geblieben – wie soll man
den auch so schnell „eindeutschen”? Anders verhält es sich beim
Streik: „Dass dieses Wort von strike kommt, ist den wenigsten
bewusst.” Während Fremdworte früher dem Griechisch-Lateinischen
entstammten, ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts das Englische
dominant – und bei den viel diskutierten Anglizismen rät der
Experte erneut zu Toleranz: Primäres Ziel der Sprache sei
schließlich die Verständigung, und bei so mancher Debatte, welches
Wort „besser” als ein anderes sei, müsse diese Frage Vorrang haben:
„Erleichtert es das Verständnis?”
So sei „downloaden” genauso zu verwenden wie „herunterladen”.
Dass der Duden Letzteres empfiehlt, liege am Perfekt –
„downgeloaded” klingt ja auch nicht wirklich schön. Er sei da ganz
„Pragmatiker”, die eigene Ansicht sei oft nur eine von vielen,
„Wahrheiten” könnten sich schnell ändern: „Als ich zur Schule ging,
sprach man von drei Monden, die den Jupiter umkreisten – heute sind
es 63.”
Es sei schön, wenn „Menschen sich über Sprache Gedanken machen”:
„Aber sie sollten sich nicht auf ein ,Übel' versteifen.” „Wegen mit
Genitiv” – klar. Nur: Wenn ein Nachrichtensprecher zum Dativ
greife, sei das etwas anderes als im Kneipengespräch: Was zählt,
seien „Toleranz – und Höflichkeit”. Da scheint er, der
Aphorismen-Fan, es ganz mit Adorno zu halten: „Seine Prinzipien
sollte man sich für die Situationen im Leben aufbewahren, in denen
es auf Prinzipien ankommt – für den Rest reicht ein wenig
Menschlichkeit.”
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