Vereint oder nicht vereint, das ist hier
die Frage – zumindest, was die Mauer in den Köpfen angeht. Um sie
niederzureißen braucht es wohl mehr als Presslufthammer und länger
als 20 Jahre: Laut einiger Ost-Experten verwittern die Vorurteile
„hüben und drüben“ sogar langsamer als alte Grenzsteine, werden
zementiert statt zerstört. Begegneten sich West- und Ostdeutsche
mehr auf menschlicher Ebene, gäbe es bald keine Unterschiede mehr,
schrieb Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz schon 1991.
Doch wie, wenn uns dazu die Berührungspunkte fehlen? „Ich
fordere meine Landsleute dazu auf, sich auch die Schönheiten des
eigenen Landes anzusehen“, sagte der sachsenanhaltinische
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer dem Mallorca Magazin vor
wenigen Wochen, „das tue ich auch, weil ich weiß, dass einige
Mallorca besser kennen als den heimischen Harz.“ Sprach's, und traf
den Nagel auf den Kopf: Mallorca eint uns Deutsche. Nicht nur, weil
wir uns in unserem Inselfaible so einig sind. Die Insel schafft,
was wir selbst nicht schaffen: Sie bringt uns zusammen – und uns
gegenseitig näher. Vorurteile zerfließen, wenn wir tagelang
Strandtuch an Strandtuch geschwitzt haben, Vorbehalte schmelzen
nach gemeinsam durchfeierten Nächten wie Eiswürfel im Sangriaglas.
Mallorca ist neutraler Boden, keiner hat das Hausrecht, hier sind
alle gleich: „Alemanes“. Im deutschen Supermarkt stehen hier
Spreewaldgurken neben bayerischem Senf, und kein Spanier käme auf
die irrwitzige Idee, in Wessis und Ossis zu differenzieren.
Erst recht in einem Boot sitzen jene, die auswandern: Beim
„rüber machen“ nach Mallorca, fangen Ost- wie Westdeutsche
gleichermaßen bei null an, wenn es darum geht, in der hiesigen
Kultur Fuß zu fassen. Gast zu sein im fremden Land macht
weltoffener, aber auch bescheidener – sonst gilt man schnell als
Besser-Wessi, ganz gleich, in welcher Himmelsrichtung wir
eigentlich geboren wurden. Mallorca aber kann nur der Dünger sein
bei einem Wachstumsschub, der sich in unseren Herzen vollziehen,
uns wieder als Volk zusammenschweißen muss. Mittels der Erkenntnis:
Die Westdeutschen haben eine Vergangenheit. Die Ostdeutschen auch.
Ein Erfahrungs- und Erinnerungsschatz, den wir im gegenseitigen
Austausch teilen statt ignorieren und abtun sollten.
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