Benjamin kommt ins Schwärmen: Neulich Sansibar
war wundervoll, der Aufstieg am Kilimandscharo "der Hammer" und
jetzt hätten er und sein Mann Manuel spontan ein "ganz
schnuckliges" Häuschen in der Bucht von Pollença angemietet, "da
wollen wir mindestens einmal im Monat richtig schön ausspannen",
verrät der Hamburger.
Benjamin und Manuel sind kein Einzelfall: Die schwul-lesbische
Reiselust ist ausgeprägter als die von Heterosexuellen - zu diesem
Ergebnis kommt auch eine umfangreiche Studie der auf Gay-Marketing
spezialisierten Agentur Communigayte. Spanien liegt bei der Auswahl
der beliebtesten Destinationen neben den USA ganz weit vorn,
bevorzugt wird vor allem Individualurlaub.
Viele Homosexuelle verbringen jährlich ihre freien Mußestunden
auf Mallorca - im Sommer verfünffacht sich damit schon mal die
Gay-Szene der Insel. Eine ausgesprochene "rosa Reisezone" ist
Mallorca aber nicht, kann mit dem schillernden Glanz von Ibiza,
Sitges, Gran Canaria oder Teneriffa nicht mithalten.
Das "Ambiente", wie die Spanier die Szene nennen, findet hier
etwas verborgener, gemäßigter, weniger provokant statt. "Gerade
dies aber könnte als Marktlücke im Gay-Tourismus stärker gefördert
werden", gibt Miguel Angel Camacho von der schwul-lesbischen
Vereinigung Ben Amics zu bedenken: "Es gibt ja nicht nur die, die
wilde Partys feiern wollen, Mallorca bietet viel Kultur und Luxus
abseits von Discos und Strand."
Erst vor wenigen Jahren hat die Tourismusbranche Schwule und
Lesben als attraktive Zielgruppe entdeckt: Denn die Paare sind
meist gut situierte Doppelverdiener, kinderlos und daher
saisonungebunden. Vor Kurzem hat die spanische Hotelkette "Alex" in
Berlin ein Designerhotel für Schwule eröffnet - zwei weitere führt
die Kette in Buenos Aires und Barcelona. Ob sich Mallorca als
Gay-Reiseziel derart mausern kann, dass auch hier ein solches
Luxushaus entstehen könnte, scheint fraglich: Die zwei Gay-Hotels
auf Palmas "Rosa Meile", der Calle Joan Miró, sind klein und in
ihrem Stil einfach gehalten.
Zwischen sieben und zehn Prozent der Weltbevölkerung ist laut
Statistik homosexuell, auf Mallorca wird die reale Zahl wesentlich
höher geschätzt, suchen hier doch auch viele Lesben und Schwule aus
Lateinamerika Zuflucht, weil sie wegen gesellschaftlicher
Repressalien in der Heimat ihre Sexualität nicht offen ausleben
konnten. "Spanien ist diesbezüglich zu einem sehr liberalen Land
geworden", meint die 45-jährige Anne, die seit acht Jahren auf der
Insel lebt, "ich muss sagen, ich fühle mich hier sehr wohl. Leider
scheint es in Deutschland gerade wieder ein paar Schritte rückwärts
zu gehen; als meine Partnerin und ich letztes Jahr auf dem
Christopher-Street-Day in Köln waren, haben wir gehört, dass es
dort wieder vermehrt zu Übergriffen gegen Schwule gekommen ist." Im
Moment liebäugele sie damit, nach zehn Jahren "wilder Ehe" ihrer
Lebensgefährtin ganz offiziell das Jawort zu geben - seit dem 30.
Juni 2005 ist dies in Spanien möglich. Ein jäher Kontrast,
verglichen mit der Situation noch 30 Jahre früher: Bis zum Ende des
Franco-Regimes wurden Schwule und Lesben verhaftet und schwer
bestraft.
Ein Erbe, das immer noch zäh an vielen Ansichten über
Homosexuelle zu kleben scheint. Denn trotz Toleranzbekundungen der
breiten Masse trauen sich immer noch viele nicht, zu ihrer Neigung
zu stehen und sich zu outen. "Es gibt viele 'que viven en el
armario' (die im Schrank leben), wie es die Spanier nennen, weil
der Druck innerhalb ihrer mallorquinischen Familie so groß ist",
betont Kirstin Hansen, die mit ihrer Firma "Mythos" einen Stadtplan
mit Gayfriendly-Lokalitäten publiziert, Gay-Hochzeiten und
Gay-Bootspartys organisiert - das erste Partyboot sticht in dieser
Saison am 12. Juni in See.
Aber auch jene, die offen mit ihrer Liebe zum anderen Geschlecht
umgehen, sind meist vorsichtig: Um Diskriminierungen vorzubeugen,
geben sie an den Wochentagen den Heterosexuellen, erst zum
Wochenende und in den entsprechenden Bars sind sie dann wieder ganz
sie selbst. "Es ist schade, dass das Angebot an Clubs und Bars auf
der Insel relativ begrenzt ist", meint Stefan aus Köln, der seit
drei Jahren auf der Insel lebt.
Dabei ist das Angebot für Schwule weitaus breiter als das für
Lesben: Mit der Eröffnung des "LClub" vor wenigen Monaten am Paseo
Marítimo gibt es neben dem "Isidoro" nur zwei Frauenbars auf der
Insel. Zwar gab es immer wieder Neueröffnungen, doch die Clubs
hielten sich nicht lang. "Lesben gehen selten aus. Meist nur
solange, bis sie eine Partnerin gefunden haben, dann ziehen sie das
heimische Sofa vor", erklärt Vanessa - die 33-Jährige spricht aus
Erfahrung.
Nie entgehen aber lässt sie sich die alljährliche bunte Parade
des "Orgullo", der spanischen Version des Christopher-Street-Days
am 28. Juni. Erinnert wird dabei an den ersten Aufstand
Homosexueller gegen Polizeiwillkür in New York, der in einem
Straßenfest für Schwulen und Lesben mündete. "In den letzten Jahren
haben auf der Insel nur wenige mitgemacht", erzählt sie, "aber
dieses Jahr wird es sicher etwas Besonderes, der 'Orgullo' jährt
sich nämlich zum 40. Mal."
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