Auch auf die Gefahr hin, als „Landei” geoutet zu werden: Ich
liebe Llubí. Und Campos, Muro sowieso, ja, sogar Algaida. Weil das
Leben hier noch echt ist und viele, ganz alltägliche Straßenszenen
als Momentaufnahmen in Bilderrahmen Wände schmücken könnten. Wenn
der dicke Wirt Guillermo im engen T-Shirt (er hält sich für
unwiderstehlich, wie mir versichert wurde), mit verschwörerischer
Miene Café con leche serviert, während sich vor seiner Bar die
Hähnchenbude auf dem Marktplatz mit dem Namen „Rey de Pollo”
schmückt. Das kann man sich nicht ausdenken.
Hier kommt einem noch vieles richtig spanisch vor. Und wer als
Deutscher auf dem Land glücklich werden will, sollte vor allem dies
mitbringen: echtes Interesse an den Lebensgewohnheiten und Werten
der Dorfgemeinschaft. Unumgängliche Voraussetzung dafür ist
natürlich die Sprache. Wer täglich mit echten Insulanern zu tun
hat, schnappt oft auch schnell ein paar Mallorquín-Brocken auf.
Aber meist honorieren die Einheimischen schon das Bemühen um
Castellano, und sei es noch so holperig.
Verordnen (Stichwort Katalanisierung) ist hier überflüssig,
einfache Sitten und Gebräuche greifen noch, wenn es um die
gegenseitige Annäherung geht. Wer zum Stamm zählen will, macht sich
halt zum Stammgast – in der Dorfkneipe, auf dem Markt, beim Bäcker.
Kontinuität kommt an, Vorpreschen ist verpönt. Im Dorf ticken die
Uhren anders: Die Langsamkeit wird wieder entdeckt und vielleicht
zum ersten Mal gelebt. Der schnelle Konsum ist hier Nebensache,
obwohl heute jeder Dörfler durch den Ausbau nicht nur des
Straßennetzes, sondern neuerdings auch des öffentlichen
Transportwesens, immer schneller in Palmas Einkaufsmeile ist.
In einer Welt schwer durchschaubarer und kontrollierbarer
Prozesse, in der die Finanzmarktkrise gigantische Geldmengen
vernichtet und moralische Werte in Mitleidenschaft gezogen hat,
nimmt bei vielen der Wunsch nach Überschaubarkeit und Nähe zu.
Vielleicht daher auch die Nostalgie, die beim Dorfleben
mitschwingt. Man kennt sich, man tauscht nicht nur Worte, sonder
öfter auch mal Lebensmittel oder selbst angebautes Gemüse aus.
Statt größer, besser, schneller: „Back to the roots”.
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