Wenn er malt", hat sein Freund Jean Cocteau
gesagt, "dann ist es so, als baue ein Vogel sein Nest." Und wie in
einem Nest lebte und arbeitete Joan Miró (1893 bis 1983) auf
Mallorca. Mehr als 40 Jahre lang.
Er war zurückhaltend, mochte nicht in den Medien und auf
Empfängen erscheinen, er war schüchtern, fühlte sich in seinem
Atelier am wohlsten. Was ihn nicht hinderte, ein Leben lang
Freundschaften zu pflegen.
Er liebte seine Familie, seine Tochter Dolores, seine
Enkelkinder. Mit seiner Frau Pilar Juncosa, einer Mallorquinerin
aus Sóller, war er 54 Jahre lang verheiratet. Mit den Worten
"M'agarades molt" (Du gefällst mir sehr) begann die Ehe von Joan
Miró und Pilar Juncosa. "T'Estim molt" (Ich liebe dich sehr), waren
seine letzten Worte an sie, als er am Weihnachtstag 1983 starb.
Er war ein Zauberer, der eine Welt märchenhafter Symbole
erschuf: Sterne, Vögel, Sonnen, Fabeltiere und Frauen, immer wieder
Frauen. Sein malerisches Werk hat klare Farben: Gelb, Rot, Blau,
Farben, die keinen Widerspruch dulden. Wie die Farben seiner
Wahlheimat Mallorca.
Seine Zeichnungen, Grafiken und Graffiti sind von ungeheurem
Reichtum, seine Skulpturen sind wie "Poesie im Raum", oft nur
Objekte und Fundstücke, zu dreidimensionalen Collagen
zusammengefügt, danach dann in Bronze gegossen.
Er liebte die Siurells, die heute noch auf der Insel verkauften
Tonfiguren, 3000 Jahre alte Formen aus der phönizisch-karthagischen
Antike, denen er Eingang in die Kunst der Gegenwart
verschaffte.
Andererseits war Miró aber auch erdgebunden und von dieser Welt.
Das politische Geschehen verfolgte er immer aufmerksam, auch wenn
es nur indirekt Einfluss auf sein Werk hatte. Er empfing gerne
Freunde in seinem Haus in Son Abrines, liebte stundenlange
Gespräche am Abend.
Bei seiner Arbeit wollte Miró stets allein sein, ungestört,
nichts im Atelier durfte verändert werden. Darüber wachte er
eifersüchtig. Nur Pilar Juncosa hatte Zugang. Er goutierte ihre
Sorgfalt: "Als sei ein Engel durchgegangen ..." Er war fleißig,
hatte einen fest strukturierten Alltagsablauf, arbeitete Tag für
Tag unbeirrt. Und hinterließ ein ungeheures Oeuvre.
Joan Miró wurde am 20. April 1893 in Barcelona geboren. Sein Vater
stammte aus Montroig bei Tarragona, die Mutter aus dem
mallorquinischen Sóller. Beide waren nicht von der Begabung ihres
Sohnes überzeugt; sie veranlassten ihn, einen "ordentlichen Beruf"
zu erlernen. Obwohl der junge Miró ernsthaft Zeichenunterricht
nahm, zwang man ihn dazu, die Handelsschule in Barcelona zu
besuchen, danach als Gehilfe in der Verwaltung des Handelshauses
Dalmau zu arbeiten.
Ein Jahr lang ging das gut, dann brach Miró unter dem
Psychostress zusammen. Die Eltern hatten ein Einsehen. Sie
begriffen, dass er malen, zeichnen musste.
Im Jahre 1911 entstanden die ersten großen Ölgemälde. Die Eltern
konnten nicht verstehen, was da abgebildet ist: Joan Miró hatte die
ersten Werke kubistischer Meister gesehen. 1918 erreichte er seine
erste große Ausstellung in Barcelona.
Im Jahr darauf reiste er nach Paris, wo er Picasso kennenlernte.
Und andere, die sich in den frühen zwanziger Jahren an der Seine
niedergelassen haben: Die Schriftsteller Ernest Hemingway, Ezra
Pound, Henry Miller, die Maler Max Ernst, George Braque, Juan Gris,
Henri Matisse, aber vor allem Paul Eluard, der geistige Vater des
Surrealismus, sowie André Masson, André Breton, Alberto Giacometti
oder Jean Cocteau.
Damals war Miró ein ganz armer Schlucker: "Ich aß wenig und
schlecht. Ich habe gesagt, dass mir zu jener Zeit der Hunger
Halluzinationen verursachte, die mir Ideen für Bilder gaben." Im
Oktober 1929 kehrte er zeitweilig nach Spanien zurück, fuhr auch
nach Palma de Mallorca. Hier heiratete er Pilar Juncosa aus Sóller,
mit der er zeitlebens zusammenblieb.
Miró arbeitete, schuf und schöpfte, gab den Dingen eine neue
Realität. "Den surrealistischten aller Maler" nannte ihn André
Breton 1928. Dennoch - so ganz heimisch gefühlt hat er sich niemals
im Kreise der Surrealisten. Und wuchs später über diese Bewegung
hinaus.
1940 flüchteten Joan Miró und Pilar Juncosa vor dem
Einmarsch der deutschen Truppen in Paris nach Mallorca. Hier kaufen
sie am Fuße der Sierra Na Burguesa ein Haus: Son Abrines. Calamajor
war damals noch ein stilles Fleckchen, geradezu eine Idylle. Später
entstanden rund um das Haus Hochhäuser der hässlichsten Art, die
Miró den Blick aufs Meer verbauten, den er so liebte.
Doch Son Abrines wird stets sein Zuhause bleiben: "Yo me siento
como un vegetal. Por esto vivo en Palma. Aqui tengo raíces", sagte
er: "Ich fühle mich wie eine Pflanze. Deshalb wohne ich in Palma.
Hier habe ich Wurzeln." 1955 , als es Miró finanziell besser
ging, kaufte er ein Grundstück in unmittelbarer Nähe seines
Wohnhauses hinzu. Es war von jeher sein Traum gewesen, ein Atelier
mit viel Platz, viel Licht zu haben. Mit Hilfe seines Freundes, des
katalanischen Architekten Josep Sert, erfüllte er sich diesen
Traum. 1959 kam noch die alte Finca Son Boter hinzu.
Während der Franco-Zeit vermied er jeden öffentlichen Auftritt,
nahm keinerlei Ehrungen entgegen, die ihm mehr als einmal
angetragen wurden. Bald nach Francos Tod 1975 schenkte er
allerdings der Stadt Palma die Skulptur "Personnatge", die heute am
oberen Ende des S'Hort del Rei in Palma steht.
In den 50er und 60er Jahren reiste Miró, nahm 1955 und 1959 an
der documenta in Kassel teil, hatte Aufträge in den Vereinigten
Staaten, hatte internationale Ausstellungen, in London, Paris, New
York, Tokio. Auf Mallorca gab es die erste Einzelausstellung erst
1970. In seinen letzten Lebensjahren lebte Joan Miró sehr
zurückgezogen.
1972 wurde auf seine Initiative die Miró-Stiftung in
Barcelona gegründet, und 20 Jahre später die in Palma.
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