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Er hat was vom letzten Gentleman: Auf das akkurateste gekämmt, seriös die Krawattennadel angesteckt, in eine zartblumige Aftershave-Wolke gehüllt. Penibel klopft Alejandro Herranz Miranda jedes Stäubchen von seiner Nadelstreifen-Livree mit den Schulterkordeln. "Das ist meine Sommeruniform", sagt er nicht ohne Stolz, "im Winter trage ich Zweireiher - da verwechseln sie mich immer mit einem Piloten!"

Dabei ist Alejandro Schuhputzer - der letzte der Insel. Neugierig äugen die Touristen zu ihm herüber, wie er auf seinem schwarzen Sessel im Obergeschoss des Flughafens kurz vor der Sicherheitskontrolle jeden Morgen ab sieben Stellung bezieht und auf Kundschaft wartet - die nicht kommt.

"Es ist traurig", sagt Alejandro, "wie oft bin ich schon fotografiert worden, war im Fernsehen - nur zum Schuheputzen kommen die Leute nicht mehr. Wie auch!", ruft er aus und deutet auf die Füße der Reisenden: Sandalen, Plastikschuhe, Turnschuhe. Keine Ware, bei der der 68-Jährige zeigen könnte, was er drauf hat: Schuhcreme einmassieren, Pflegefett, dann kräftige Bürstenstriche, zuletzt eine Hochglanzpolitur mit wirbelndem Tuch. "Mit dem Lappen richtig umzugehen ist das Geheimnis", sagt er und seine Gesichtszüge werden schelmisch, "und wie man die Bürste hält." Nur wer sie hinten anpacke, habe genügend Schwung und Schnelligkeit. Er selbst habe einen guten Lehrmeister gehabt, einen aus Valladolid - der Stadt, wo es auch heute noch die besten Schuhputzer gäbe. Und die meisten, denn da sei es noch eine Selbstverständlichkeit. "In Andalusien sind sie auch so eitel, dass sie sich lieber die Schuhe putzen lassen, als einen Kaffee zu trinken. Viele gibt es auch in Bilbao - aber da müssen sie es, weil es so viel regnet." Schuhcreme pflege die Schuhe nämlich nicht nur, sondern imprägniere sie gleichzeitig: So werden sie wasserundurchlässig.

Ein Kunde nimmt auf seinem Sessel Platz. Alejandro wird geschäftig, wirbelt charmant. In knapp zehn Minuten hat er aus den Tretern des Madrider Vertreters für Naturkosmetik wieder ein ansehnliches Paar gezaubert. "Ich gönne mir das desweilen", sagt der Vertreter und zahlt: Neun Euro kostet die Profireinigung.

Früher habe er gut verdient, erzählt Alejandro, damals hatte er sogar einen Kollegen - mittlerweile ist er verstorben. "Wir mussten uns verstecken, wenn wir eine Pause machen wollten", erinnert er sich, "die Männer trugen ja noch Anzug, Krawatte und Lederschuhe. Sie haben uns die Bude eingerannt." Dass die Schuhputzautomaten, die in den 80er Jahren aufkamen, sich nicht durchsetzen würden, hätte er gleich gewusst: "Das ist ja eine Bürste ohne Augen, wie soll die den Dreck sehen?"

In Sachen Schuhe kann man Alejandro nun mal nichts vormachen. Wie auch - seit dem 11. April 1973 macht er nichts anderes. Als Staubsaugerverkäufer war der Madrilene 1964 auf die Insel gekommen, "aber dann kam die Krise der 70er und ich musste mir etwas anderes suchen".

Mit den Jahren ist Alejandro auch ein Menschenkenner und Philosoph geworden. "Ich beobachte, denke viel nach. Vor allem denke ich positiv." Alejandro hat sich seinen Humor bewahrt, jeder hält gern ein Schwätzchen mit ihm. "Einmal", fängt er an, Geschichten zu erzählen, "kam ein Mann mit Gipsbein und wollte es billiger. Den hab ich dranbekommen! 'Ein Einäugiger', hab ich ihm geantwortet, 'zahlt im Kino ja auch nicht nur halben Eintritt!'"

Die, die auf seinem Sessel Platz nehmen, sind meist Stammkunden, viele sind mittlerweile Freunde. "Ich habe sogar einen Kunden, der nur wegen mir zum Flughafen fährt", sagt er stolz. Und dann übrigens auf jenem Sessel die Beine ausstreckt, wo es auch Schnulzenstar Julio Iglesias, Nobelpreisträger Camilo José Cela oder Politiker Alfonso Guerra schon getan haben.