Es ranken sich viele Legenden um den alten
Palast Son Gual. Ein schwerreicher südamerikanischer Kaffeebaron
sei Anfang des Jahrhunderts nach Mallorca gekommen, um hier das
Haus für seinen Lebensabend zu bauen, so lautet eine Version. Seine
Frau habe ihn mit dem örtlichen Pfarrer betrogen, woraufhin sich
der gehörnte Hausherr unter einem Baum nicht unweit des Palastes
erschossen habe, lautet eine Fortsetzung der Geschichte.
Gemeinsam ist allen Erzählungen das Baujahr 1929, wie eine
Plakette über dem Brunnen des Innenhofs dokumentiert. Damals war
das Haus umgeben von Weideland, heute steht das alte Herrenhaus auf
dem Golfplatz von Son Gual. Prächtig von außen,
renovierungbedürftig von innen. Und es gibt jemanden, der die
Geschichte dieser Gemäuer, die heute unter Denkmalschutz stehen,
genau kennt. "Ich kann mich noch gut an den letzten Hausbesitzer
erinnern", sagt Pedro Cantallops Cantallops. Der heute 70-Jährige
wohnte sechs Jahre lang als Verwalter im Palacio Son Gual, und kann
über die Kaffeebaron-Märchen nur schmunzeln.
Dann erzählt er die Geschichte der mallorquinischen Familie
Frau, die bis heute auf der Insel ein einflussreicher Clan ist.
Angefangen habe alles mit Miguel Frau, einem Bauarbeiter aus Son
Gual, der Anfang der 20er Jahre eine Reise nach Kuba machte. Und
der sein Vermögen keineswegs mit einem Kaffeebohnen-Imperium,
sondern ganz banal mit einem Lotteriegewinn machte. "Ich weiß aus
Erzählungen seines Vaters, dass Miguel während seines Aufenthaltes
in Havanna Lotterielose kaufte", erinnert sich Pedro Cantallops.
Und tatsächlich fiel auf eines dieser Lose der Hauptgewinn und
machte Miguel reich.
Er kehrte nach Mallorca zurück, zu seiner Frau und fünf Kindern,
und kaufte unvorstellbare 6'3 Millionen Quadratmeter Land rund um
sein Heimatdorf Son Gual. Dann baute er für sich und seine Familie
das prächtige Haus im Kolonialstil, das 1929 fertig wurde. Gewohnt
hat Miguel Frau in dem Haus nie, denn noch im selben Jahr starb der
Mallorquiner.
"Das Erbe wurde durch fünf geteilt, seine Söhne Miguel, Jaime
und Juan sowie die Töchter Catalina und Maria sollten zu gleichen
Teilen die sechs Millionen Quadratmeter Land erben", erzählt Pedro
Cantallops weiter. Als kurz darauf auch der älteste Sohn Miguel
starb, wurde durch vier geteilt, und der jüngste Sohn Juan war es,
dem das Stück Land mit dem Haus zufiel, das heutige Gelände der
Familie Pamer, die dort den Golfplatz anlegte.
"Ich kannte Juan seit seiner Kindheit, schon meine Mutter hat
als junges Mädchen auf dem Land der Familie Frau gearbeitet", sagt
Pedro Cantallops. Und es habe ihn immer gewundert, dass auch Juan
nie in das Haus gezogen sei. "Er hat bis zu seinem Tod in Palma in
einer Atico-Wohnung am Paseo Mallorca gelebt, zusammen mit seiner
Frau und kinderlos." Der Palast in Son Gual habe jahrelang leer
gestanden, wie ein Geisterhaus, nur die 25 bis 30 Landarbeiter, die
sich um den riesigen Besitz mit Schafen, Ziegen, Mandel- und
Johannisbrotbäumen kümmerten, lebten in angrenzenden
Wirtschaftsgebäuden.
Doch Anfang der 70er Jahre zog Pedro mit seiner Familie das
große Los, als Juan Frau ihn bat, als Verwalter ins Herrenhaus zu
ziehen. "Ich habe hier die glücklichsten Jahre meines Lebens
verbracht", bekennt Pedro, während er durch das alte Haus geht. 390
Quadratmeter Wohnfläche im Erdgeschoss hatte er mit seiner Familie
zur Verfügung, weitere 320 Quadratmeter im ersten Stockwerk des
Hauses wurden nie komplett fertiggestellt. Ein alter Herd, der mit
Holz befeuert wurde, steht noch in der Küche, riesige Kamine, ein
Waffenzimmer, der Salon sowie zahlreiche Schlafzimmer und Bäder
zeugen von dem feudalen Leben, das der Erbauer Miguel hier für
seine Familie geplant hatte. Statt dessen spielte sich hier eine
Tragödie ab, denn im überdachten Innenhof des Hauses erschoss sich
sein Sohn Juan Frau mit einer Schrotflinte. Das sei Ende der 70er
Jahre gewesen, ein Jahr, nachdem er als Verwalter ausgezogen sei,
sagt Pedro, und zeigt dabei auf die Einschusslöcher der
Schrotkugeln in der Decke. Der Grund für den Selbstmord sei der
Ehebruch seiner Frau gewesen.
Nach Juans Tod wurde das Land an die Finanzgesellschaft "Balears
de Inversiones" verkauft, dieser Gesellschaft wiederum kaufte der
deutsche Unternehmer Adam Pamer das brachliegende Land ab und
erschuf hier einen der schönsten Golfplätze der Insel. Das alte
Haus sei ein besonderes Juwel auf dem Grundstück, sagt Juniorchef
Andreas Pamer heute, die Renovierung sei geplant. Das macht Pedro
Cantallops sichtlich glücklich, und er geht beruhigt nach Hause in
das nahe gelegene Dorf Son Gual.
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