War sie nur zu Besuch? Oder ist es der Beginn
eines wiederentdeckten Lebensraumes für die Mittelmeerrobbe? Die
beiden Taucher Alvaro Marí und Daniel Soler waren höchst erstaunt,
als sie kürzlich in den Gewässern bei El Toro eine Mönchsrobbe
sichteten. Eine Spezies, die als höchst gefährdet und vom
Aussterben bedroht gilt. Ganze 30 Sekunden dauerte die Begegnung -
dann war sie wieder verschwunden. Es war ein ausgewachsenes,
offenbar gesundes Tier. Es wird vermutet, dass die Robbe von der
nordafrikanischen Küste oder aus sizilianischen Gewässern nach
Mallorca fand. Zurzeit liegen die größten Robbenkolonien in
Griechenland und der Türkei.
Kaum jemand bringt Robben und Mittelmeer miteinander in
Verbindung. Da denkt man eher an nördliche Meere oder an Zoos. Doch
der Lebensraum der Mittelmeerrobbe (botanisch: Monachus Monachus)
umfasste noch vor etwa 50 Jahren die balearischen Gewässer,
Nordafrika und das Schwarze Meer. Die letzte Robbe auf Mallorca
starb im Jahr 1958 vor der Bucht von Sóller. Ein Zivilgardist, der
in der Cala Tuent Wache schob, zielte auf ein ",unbekanntes
Objekt", als sich die Robbe in Strandnähe ausruhte. Ein schlichter
Akt der Ignoranz. Ignoranz, die auch zuvor schon die Ausrottung der
Robben eingeleitet hatte. Die Küsten und Gewässer rund um die
Balearen waren in jenen Jahren noch nicht leergefischt, sondern
reich an Fauna und Flora, die Strände waren einsam - ideales Gebiet
für Mittelmeerrobben.
Robben - auf Spanisch "foca monje", Mönchsrobben, weil sie meist
allein oder höchstens im Familienverbund leben, auf Mallorquín
"Vell Marí" - können bis zu 350 bis 400 Kilo schwer werden. Dann
verspeisen sie mit Leichtigkeit rund zehn Kilogramm Fisch pro Tag,
mit Vorliebe Tintenfisch. Robben sind seit Urzeiten im Mittelmeer
bekannt. Schon Homer erzählte vor 2800 Jahren, dass Odysseus sich
mit der Haut einer Robbe tarnte, um Proteus, dem Herrn des Meeres
in der griechischen Mythologie, die Herrschaft zu entreißen. Auch
in Cervantes' "Don Quijote" ist von Robben die Rede. Rund um die
Balearen gab es offenbar viele Robben. Funde in S'Illot haben
ergeben, dass schon Menschen früher Kulturen Jagd auf sie machten.
Der mallorquinische Naturforscher Cristobal Vilella berichtet 1780
von ihnen und der Erzherzog Ludwig Salvator erzählt von
Robbenjagden bei Manacor, Deià und Santanyí. Rund 20 inzwischen
kaum mehr gebrauchte Ortsnamen wie "Cova des Vellmarins" bezeugen
ihr Vorkommen.
Die Zoologie "entdeckte" das Tier offiziell im Herbst des Jahres
1778. Der elsässische Arzt Johann Herrmann stieß zufällig auf ein
Jungtier an der dalmatinischen Küste. Er stellte fest, dass die
Spezies noch nicht katalogisiert war. Die von diesem Zeitpunkt an
gebrauchte Bezeichnung lautet: Phoca Monachus oder Monachus
Monachus. Jetzt, mehr als zwei Jahrhunderte später, ist die Art vom
Aussterben bedroht. Die Gründe: Verfolgung durch den Menschen und
Schädigung durch Umweltverschmutzung. Robben sind höchst
intelligente Tiere. So hatten sie schnell herausgefunden, dass sie
in der Nähe von Fischerbooten ihren Hunger auf einfache Weise
stillen konnten. Daher wurden sie von Fischern aufs Heftigste
bekämpft.
Als 1922 in der Bucht von Andratx eine Robbe getötet wurde, war
dies solch ein Ereignis, dass das Tier öffentlich ausgestellt
wurde. Im Laufe der Jahrzehnte, und bei ständig wachsender Bebauung
an den Mittelmeerküsten, schrumpften die Nahrungsmittelressourcen.
Die Verschmutzung des Wassers tat ein Übriges. Wenn nicht bald
Schutzgebiete eingerichtet werden, so sagen balearische Biologen,
sind die Tage der Mittelmeerrobbe gezählt. Sollten jetzt weitere
Robben in balearischen Gewässern auftauchen, könnte das eine
Öko-Sensation sein.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.