Wer sich je für die spanische Geschichte und Politik der Neuzeit
und Gegenwart interessiert hat, ist diesem Namen begegnet: Walther
L. Bernecker. Der 60-jährige Hochschulprofessor ist so etwas wie
der Papst der deutschsprachigen Spanien-Forschung oder, anders
ausgedrückt, der wissenschaftliche "Peter Scholl-Latour" für
Spanien, Portugal und ganz Lateinamerika.
Mehr als 80 Bücher hat Walther Ludwig Bernecker seit 1977 als
Autor oder Herausgeber veröffentlicht. Der Inhaber des Lehrstuhls
für Auslandswissenschaften - romanischsprachige Kulturen - an der
Universität Erlangen-Nürnberg schuf klassische Standardwerke, die
immer wieder in aktualisierten Neuauflagen erscheinen. Dazu zählen
Werke wie "Anarchismus und Bürgerkrieg. Zur Geschichte der Sozialen
Revolution in Spanien 1936-1939" (erstmals erschienen 1978),
"Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg" (1984),
"Sozialgeschichte Spaniens im 19. und 20. Jahrhundert. Vom Ancien
Régime zur parlamentarischen Monarchie" (1990), "Krieg in Spanien
1936-1939" (1991), "Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis
heute" (2002), "Spanien-Handbuch. Geschichte und Gegenwart" (2006)
und vieles mehr.
Da war es nur eine Frage der Zeit, dass auch die
Balearen-Universität den Spanien-Experten zu einem Gastvortrag
einlud. Am vergangenen Montag war es erstmals soweit. An der
Historischen Fakultät im Ramon-Llull-Gebäude referierte Walther
Bernecker eine gute Stunde über den Spanischen Bürgerkrieg aus
europäischer Perspektive.
Vor rund 40 Studenten und Zuhörern erklärte Bernecker, es
bestehe heute unter den Wissenschaftlern weitgehend Konsens
darüber, dass der Ausbruch des Bürgerkriegs in Spanien ohne jede
Beteiligung des Auslandes initiiert wurde. Die an den Ereignissen
in Spanien interessierten Mächte - Nazi-Deutschland, das
faschistische Italien und die stalinistische Sowjetunion - griffen
erst im Nachhinein ein. Erst ihre Unterstützung für die
gegnerischen Seiten im Bürgerkrieg führte zur Internationalisierung
der blutigen Auseinandersetzung und beeinflusste dann den Verlauf
und die Folgen des Krieges. Das System der Nichtintervention, wie
sie von den westlichen Demokratien Frankreich, England und den USA
propagiert wurde, "war ein absolutes Debakel". Das
Nicht-Vorhandensein von ernst zu nehmenden Kontrollmechanismen
machte die pro forma vereinbarte Nicht-Einmischung völlig halt- und
gegenstandslos. Die Haltung von England und Frankreich war dadurch
nicht neutral im nicht-interventionistischen Sinne, sondern sie kam
indirekt der Seite der Aufständischen um Franco zugute. "Alle
genannten Staaten tragen deshalb einen bestimmten Grad an
Verantwortung, was die Entwicklung Spanies während des
Bürgerkrieges und nach 1939 betrifft", sagte Bernecker in perfektem
Spanisch.
Die kastilische Sprache war Bernecker, Jahrgang 1947, nicht in
die Wiege gelegt worden. Allerdings hatte der gebürtige
Dollnsteiner aus dem bayerischen Altmühltal es nicht allzu weit
nach Spanien. Bereits im Alter von sieben Jahren gelangte er mit
seinen Eltern, einem deutschen Lehrerehepaar, nach San Sebastián,
wo sein Vater die Deutsche Schule leitete. So verbrachte Walther
Bernecker seine gesamte Schulzeit in Spanien, bevor er dann zum
Studium nach Deutschland zurückkehrte.
In jene Jahre fällt auch der einzige Mallorca-Besuch Berneckers,
1964, noch als Abiturient. "Das war der erste Flug meines Lebens -
unvergesslich!" In Palma bezog er mit einem Klassenkameraden eine
Pension in der Innenstadt. "Das Zentrum hat sich nicht so
dramatisch verändert", findet Bernecker nach seinem jetzigen Besuch
in Palma.
Wie beurteilt der Spanien-Experte die aktuellen politischen
Entwicklungen? Das TV-Duell zwischen den Präsidentschaftskandidaten
Zapatero/Rajoy hatte er sich nicht entgehen lassen. "Zapatero hatte
es in den vergangenen Jahren viel schwerer als alle seine
Vorgänger, weil er auf eine sehr rabiate Opposition traf." Dennoch
habe er eine Reihe gesellschaftspolitischer Reformen eingeleitet,
"die Spanien deutlich modernisiert haben".
Als "problematisch" sieht Bernecker die Nationalismusfrage in
Spanien. "Da hat aber keine der großen Parteien eine Lösung parat."
Droht Spanien dadurch ein Zerfall wie in Jugoslawien? Bernecker
schüttelt skeptisch den Kopf. Noch deuteten alle Umfragen darauf
hin, dass die Kräfte, die bei Spanien bleiben wollen, die Mehrheit
bildeten. "Die Separatisten sind zwar lautstark, aber nicht die
Mehrheit." Notwendig sei eine geschickte Politik in Richtung
Föderalismus. Der Senat müsste eine Rolle wie der deutsche
Bundesrat ausüben. Und den Autonomen Regionen sollte in Sachen
Steuereinnahmen ein größerer, direkter Anteil eingeräumt werden zur
Verwaltung der Ausgaben. Durch solche Schritte würde die
Attraktivität einer Unabhängigkeit sinken. "Die Leute würden sich
dann fragen: ,Was bringt uns die Unabhängigkeit?'" Ist Spanien mit
dem föderalistischen Deutschland überhaupt vergleichbar? Hier gibt
es immerhin mehrere Regionalsprachen. "Warum denn nicht?", kontert
Bernecker. Im EU-Parlament gebe es 27 Sprachen, und es
funktioniere. "Oder nehmen Sie die Schweizer. Die verstehen sich
auch nicht. Und halten doch zusammen."
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