Manche Menschen können die Zukunft vorhersehen. Miguel Capó kann
die Zukunft schmecken. Süß schmeckt sie, mild und sehr fruchtig -
nach Orangen. Eines schönen Sommertages legte sie sich auf seine
Zunge, als der Mitinhaber der Marketingfirma "Foravila Design" im
Orangenhain des Firmengartens in Sóller saß. Warum nicht aus den
Früchten ein leckeres Produkt kreieren, dachte er sich, fernab von
Marmeladen und Eiscremes, wie sie schon aus Sóller kommen?
Und traf damit den Nagel auf den Kopf: Im März ist der liebliche
Likör "Angel d'Or" zwei Jahre auf dem Markt, hat längst die Herzen
namhafter Barkeeper erobert, die eigens Cocktailrezepte mit dem
goldfarbenen Orangenelexier entworfen haben, und der Köche, die
gerne auf das Produkt zurückgreifen, um ihren Speisen einen
exquisiten, lokalpatriotischen Hauch zu verleihen. Ungewöhnlichem
Erfolg gehen ungewöhnliche Maßnahmen voraus. In diesem Fall kam das
Huhn vor dem Ei: Das Marketingkonzept stand bereits, da musste das
Produkt noch geschaffen werden. Die Idee sei aber nicht von
ungefähr gekommmen, erklärt Miguel Capó - "Foravila Design" ist auf
Branding spezialisiert, erarbeitet seit 1989 Relaunches und
Marktauftritte für die Konsumgüterindustrie, wobei die
Spirituosenbranche eine wichtige Rolle spiele. Auch die deutsche:
"Die Insel ist wegen ihrer Größe in solchen Bereichen eben sehr
beschränkt", erklärt der 38-Jährige.
Und der deutsche Markt bot sich an: Zwei der vier
Geschäftsführer des Unternehmens sind Deutsche. In der
Vergangenheit arbeitete das Team eng mit "Behrendsen" und der
Brennerei "Schwarze & Schlichte" aus Nordrhein-Westfalen
zusammen. Letztere waren es auch, die gleich von Capós Likör-Idee
begeistert waren. "Wir schickten unsere Orangen in ihren
Firmensitz", erzählt der Mallorquiner, "so entstand nach und nach
die Rezeptur." Und eine deutsch-mallorquinische Fusion wurde wahr:
Die 31-prozentige Alkoholmischung kommt aus Nordrhein-Westfalen,
abgefüllt wird bei der Firma "Tunel" in Marratxí, das Aroma aber
ist pures Sóller. In wenigen Tagen ist hier wieder Saison: Dann
werden auf der Finca "Can Posteta" und "Can Det" 8.000 Tonnen
biologische Orangen geerntet. Es sind Früchte der alten Sorte
"Canoneta", die wegen ihrer Saftigkeit geschätzt wird. Das
Fruchtfleisch aber ist unwichtig: Das Aroma sitzt im Öl der Schale.
Hauchdünn wird sie abgehobelt, schockgefroren, um in einer Destille
in Barcelona weiterverarbeitet zu werden - die Früchte verschenkt
die Firma an die Behindertenwerkstatt "Estel Nou", die daraus die
bekannte "Fet a Sóller"-Marmelade kochen.
Interessantes Detail: Rund 70 Prozent des Liköres werden in
Deutschland abgesetzt. Die Deutschen lieben Liköre: Im Zeitraum
1999 bis 2005 stieg der Umsatz in dieser Produktgruppe um rund 40
Prozent. Aber auch das ausgeklügelte Konzept des "mallorquinischen
Goldengels" scheint sich auszuzahlen: Ideal für Mixgetränke und
genauso etwas für den weiblichen als auch den männlichen
Geschmack.
Seinen Namen verdankt der Likör übrigens einer der steinernen
Engelsfiguren der Dorfkirche: "Wir wollten absichtlich kein
minimalistisches Trendprodukt machen", erzählt Capó, "sondern
eines, das ist, als hätte es das schon immer gegeben."
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