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Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Hier auf Mallorca sehe ich ihn überhaupt nicht – den deutschen Wald. In diese grünmoosige Tannenhöhle zieht es mich als Erstes, wenn ich mal wieder in Deutschland bin. Als ich noch dort lebte, überlies ich Waldspaziergänge verächtlich lieber rüstigen Rentnern.

Wer hat nur diesen kleinen hinterlistigen Mechanismus in unser Herz eingebaut, der unsere Seele immer genau danach hungern lässt, was wir nicht mehr haben? Liebende taktieren damit, machen sich rar, um begehrt zu werden. Nur so lässt sich der wundersame Wandel erklären, der eine „Nix-wie-weg-Stimmung” in zweieinhalb Inseljahren zu einem erregt freudigen Herzklopfen mutieren ließ, sobald die Füße den Heimatboden betreten. Alle Antennen sind auf Empfang gestellt, das Gehirn überschlägt sich zwischen altbekannt und überraschend neu, ruft ständig Erinnerungen ab.

Rund 100.000 Deutsche wandern jedes Jahr aus, ebenso viele kommen ganz wieder zurück. Keiner mehr so, wie er war. Aber nicht nur ihr Horizont, sondern auch das Herz Deutschlands weitet sich, wenn sie auf Besuch oder für immer zurückkehren: Denn nur wer selbst schon Ausländer in einem anderen Land war, kann auch ein herzlicher und toleranter Gastgeber für Fremde sein. Viele Soziologen haben die emotionale und volksbejahende Stimmung auf deutschen Straßen bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 als das Platzen des Knotens gedeutet, der schon viel zu lange das Herzblut deutschen Nationalgefühls abgeklemmt hatte. Deutschland war Gastgeber – und was für einer.

Das sahen nicht nur alle anderen Nationen – das sahen auch wir ausgewanderten Deutschen. Und waren plötzlich auf wundersame Weise stolz. Seitdem ich mir damals das Schwarz-Rot-Gold auf die Wangen gemalt habe, lasse ich die verdrängte Heimat-Sehnsucht zu: Warum soll ich in die Dominikanische fliegen, wenn ich noch nie in den neuen Bundesländern war? Früher hätte mich auch die Aussicht auf einen Schwarzwaldurlaub auf die Palme gebracht - jetzt würde ich sie glatt dagegen eintauschen.