Plötzlich trabt der fiedrige Tross langbeinig
über die Steppe, ein leichtes Beben geht durch die aufgewühlte
Erde. „Strauße sind sehr sensibel – irgendetwas muss sie
aufgeschreckt haben”, sagt Uri Löffler. „Den Kopf in den Sand
strecken sie übrigens nur im Comic, in Wahrheit nehmen sie bei
Gefahr Reißaus”, meint er lachend und rund 100 große,
langbewimperte Augen drehen sich zu ihm herüber.
Ein Bild, das an die afrikanische Savanne erinnert – aber wir
sind auf einem abgelegenen Feldstück hinter Campos. Seit neun
Jahren führen der Israeli Uri und seine holländische Frau Josephine
Löffler hier ihre Straußenfarm. Dass sie afrikanische Gefühle
weckt, ist kein Zufall: Das Ehepaar hat viele Jahre in Südafrika
gelebt, dort bereits Straußenprodukte vertrieben. „Als es dort
immer gefährlicher wurde, war plötzlich die Idee von der Farm auf
Mallorca geboren.” Seither dreht sich auf dem
20.000-QuadratmeterGrundstück alles um den staksigen Wildvogel. Der
21-jährige Ohad, einer der beiden Söhne, erzählt leidenschaftlich
von ihren Schützlingen, von denen er alle mit Namen kennt. Er weiß
jedes Detail über die Tiere, die bis zu 180 Kilogramm schwer werden
können. Ursprünglich kommt der Vogel aus Asien, hat sich aber vor
allem in Afrika angesiedelt. Mit 72 Stundenkilometern ist er das
schnellste Tier auf zwei Beinen. Und er ist unglaublich
anpassungsfähig: „Ein hydraulisches Öl unter seinem Gefieder
erlaubt ihm, sich in weniger als drei Minuten einem Tempera-
turumschwung von minus 40 Grad auf plus 40 Grad einzustellen”,
erzählt er.
Dieses Öl kommt in der Automobilindustrie zum Einsatz. Auf der
Farm in Campos spielt es dagegen keine Rolle. „Wir konzentrieren
uns auf das Fleisch, die Eier, die Federn und das Leder”, erklärt
Uri und führt durch das Ladengeschäft der Farm, greift in die
Tiefkühltruhe.
In der einen Hand hält er ein tiefrotes Steak, in der anderen
ein dickes, weißes Stück Fett. „Fleisch und Fett sind beim Strauß
vollkommen voneinander getrennt”, erklärt er, „es hat wenig
Cholesterin, wenig Kalorien, viel Eisen und ist reich an
Omega-3-Fettsäuren.” Straußenfleisch ist das magerste rote Fleisch,
das es gibt. Es erinnert vom Geschmack an Rindfleisch, hat aber die
Vorzüge von Geflügel. Die Familie bietet Steaks und Filets an, um
die 30 Euro kostet das Kilo – auch Rauchfleisch, Salami,
Straußen-Paté und Foie gibt es.
Von März bis September, während der Paarungszeit, kann man auch
die Eier der Vögel genießen. Bei zunehmendem Mond legen die
graugefiederten Weibchen alle zwei Tage ein Ei. Ein Teil davon wird
im Nest 42 Tage ausgebrütet, ein anderer kommt in den Brutkasten,
ein weiterer wird verzehrt: Uri zaubert regelmäßig für Gäste
Riesen-Tortillas aus den gigantischen Exemplaren – ein Ei ist so
groß wie zehn Hühnereier zusammen. Aus der leeren Schale fertigt er
in stundenlanger Kleinarbeit feinziselierte Lampenschirme an,
verziert die Schale mit kunstvollen Gravuren oder verwandelt sie
mit vielen Lack- und Farbschichten zu gefragten Sammlerstücken.
Die Familie vertreibt aber auch Schuhe, Taschen, Gürtel und
andere Accessoires aus Straußenleder, die sie auf der Insel nähen
lassen, oder beliefert mit dem Leder internationale Modehäuser.
„Prada und Miu Miu arbeiten zum Beispiel viel damit.” Auf Wunsch
hat die Familie auch schon Sofas aus dem Leder anfertigen lassen.
Zu erkennen ist es an den runden Erhebungen, die Löcher der Kiele.
Wertvoll wird es durch seine über Kreuz verketteten Fasern, die ihm
besondere Elastizität geben und durch seinen Gehalt an Eigenfett:
Straußenlederschuhe brauchen niemals Schuhcreme.
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