Mit seinem Charaktergesicht und der klassischen Sonnenbrille
könnte er in Hollywood mit Leichtigkeit beinharte Gestalten mimen,
doch Francisco Marín ist kein Schauspieler, sondern Präsident des
Hotelverbandes an der Playa de Palma. Gleichwohl hat der Mann nicht
nur Hotelzimmer im Kopf, sondern liest in seiner Freizeit vor allem
literarische Wälzer. Im Gespräch über Tourismus und Politik nimmt
Marín – zugleich Direktor des Hotels Playa Golf, im Dreieck
zwischen „Bierkönig”, „Oberbayern” und „Ballermann 6” – kein Blatt
vor den Mund.
Insbesondere die jüngsten Statistiken zur Saison hält er für
wenig verlässlich. So hatte sich in den ersten neun Monaten 2007
die Zahl der Touristen auf den Balearen im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum um 6'3 Prozent auf 11'5 Millionen erhöht.
Gleichzeitig sanken die Einnahmen aus dem Geschäft mit den
Urlaubern um sieben Prozent auf 9'266 Milliarden Euro. Tendenziell,
so Marín, mögen diese Aussagen zutreffen, aber an den Zahlen – er
nennt sie „Schätzungen” – seien Zweifel angebracht. „Sechs Prozent
mehr Urlauber, das wäre ja eine Unmenge!” Marín kritisiert, dass
jeder Reisende, der auf die Inseln fliegt, als Tourist betrachtet
werde, sogar Residenten, Pendler, Geschäftsleute, Politiker. „Als
mein Sohn in Österreich studierte und hin und wieder nach Mallorca
flog, zählte er als Urlauber.”
Auch die Angaben, dass der Anteil der spanischen Touristen vom
Festland in dem Zeitraum um 23'3 Prozent auf 2'4 Millionen
gestiegen sei, hält Marín für abwegig. „Ein solcher
Kapazitätszuwachs ist nicht möglich.” Er räumt jedoch ein, dass
diesen Sommer mehr Festlandspanier auf Mallorca weilten.
„Vielleicht beträgt der Anstieg fünf bis zehn Prozent, aber auch
das erscheint mir zu hochgegriffen.” Die saisonale Hotelauslastung
lag nach seinen Worten bei 75 bis 80 Prozent, wie im Vorjahr. Die
Einnahmen der Herbergen fielen drei bis vier Prozent höher aus,
aufgrund vier Prozent höherer Zimmerpreise.
Auf die Pläne zur Sanierung der Playa de Palma ist der
Verbandspräsident nicht gut zu sprechen. „Es ist zum Verzweifeln!
Alle Welt wird nicht müde, zu beteuern, wie wichtig dieses Projekt
sei. Aber letztlich wird kein Finger gerührt.” Bis zu den
spanischen Parlamentswahlen im März werde es in dieser
Angelegenheit keine Bewegung mehr geben, prognostiziert Marín.
Schon vor den Regionalwahlen im Mai habe Stillstand geherrscht.
„Wir verlieren dadurch einen ganzen Winter, in dem man diverse
Dinge, Ausbesserungsarbeiten hätte anpacken können. Nichts geht
voran.”
So stimmt es Marín dementsprechend nur mäßig euphorisch, dass
der nationale Tourismus-Rat unter Vorsitz des spanischen
Tourismusministers und dessen Amtskollegen aus den Regionen Anfang
November den „Plan Horizont 2020” aus der Taufe hoben. Er sieht die
Modernisierung der in die Jahre gekommenen Urlaubszentren des
Landes vor. Der Sanierung der Playa de Palma solle dabei – wie
öfter versprochen – Pilotcharakter eingeräumt werden.
Marin erinnert daran, dass der Hotelverband gemeinsam mit dem
„Konsortium zur Verbesserung und Verschönerung der Playa de Palma”
nach langer Analyse im Juli 2006 exakt 101 Vorschläge präsentiert
hatte. Ungklärt ist nach wie vor, wie die Sanierung der Playa de
Palma von staatlicher Seite finanziert werden solle. „Mit der
Umbenennung des Vorhabens in den Plan Horizonte 2020 könnte man
fast meinen, es geht den Politikern vor allem um Zeitgewinn”,
kommentiert Francisco Marín. Erst habe man auf den Wahlausgang in
Palma zuwarten müssen, jetzt sei wieder Geduld für den Ausgang in
Madrid gefragt.
Wäre es da nicht vernünftig, die Zentralregierung würde bei den
Wahlen im März ihre Mehrheit verteidigen, damit es dann zumindest
keine parteipolitischen Spannungen mehr zwischen Palma und Madrid
gebe, wie dies in der Vergangenheit häufig der Fall war? „Das mag
schon sein”, antwortet Marín, „aber die Tatsache an sich, dass in
Palma und Madrid ein und dieselbe Partei regiert, ist noch keine
Garantie dafür, dass es mit dem Sanierungsprojekt tatsächlich
vorangeht.”
Wie sieht der Verbandspräsident also die Zukunft der Playa de
Palma? Es gebe da zwei Szenarien, die anzeigten, wohin die Richtung
gehen könnte, sagt Marín: „Erstens: Wir machen weiter wie bisher.
Das heißt, ohne große Investitionen und Sanierungsprojekte. Wir
renovieren allenfalls im Winter ein paar Dinge. Dann würde es an
der Playa – solange nichts Unvorhergesehenes eintritt –
mittelfristig weiterlaufen wie bisher.” Wobei Marín unter
mittelfristig einen Zeitraum von etwa sieben Jahren versteht.
Und das zweite Szenario? „Nehmen wir an, die ganzen
Investitionen kommen. Die Sanierungspläne werden umgesetzt. Dann
erleben wir hier eine ungeahnte Aufwärtsentwicklung. Dann ist da
sehr viel Spielraum nach oben drin.” Nach Maríns Worten kann die
Playa de Palma, was immer die Zukunft bringen mag, kaum verlieren.
Er zählt die bekannten Standortvorteile auf. Ein vier Kilometer
langer Strand. Eine Einkaufs– und Kulturmetropole wie Palma, nur
zwölf Kilometer entfernt. Ein Flughafen vor der Haustür, mit besten
Anbindungen nach ganz Europa. „Unsere Lage wird zumindest nicht
schlechter werden. Und wenn einmal die Straßenbahn gebaut wird,
dann wird sie sicher viel rentabler sein als die Metro an die
Universität.” Allerdings lässt Francisco Marín keinen Zweifel
daran, dass die „Tranvía”, wie sie die Balearen-Regierung bauen
will, weder in erster noch in zweiter Meereslinie verkehren
sollte.
Das von der Balearen-Regierung wenig geliebte Projekte einer
Bebauung des Feuchtgebietes von Ses Fontanelles findet bei
Francisco Marín hingegen volle Unterstüztung. Wie berichtet, wollen
Geldgeber dort neben dem Meeresaquarium ein Einkaufs– und
Freizeitzentrum errichten. „Das ist eine sinnvolle Investition, die
die ganze Playa voranbringt.” Ein reduziertes Feuchtgebiet wäre
ebenfalls ein Gewinn: „Es sorgt dort für eine kontinuierliche
Invasion von Mücken.” Maríns Amtszeit als Präsident des
Hotelverbandes läuft noch bis 2009. Verspürt er Lust, noch einmal
anzutreten? „Eher nicht. Der Job bringt auch eine Menge Ärger mit
sich.”
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.