Mit versteinerten Mienen haben Politiker und Unternehmer auf
Mallorca die Aufkündigung des Waffenstillstandes durch die
baskische Untergrundorganisation ETA zur Kenntnis genommen. Vor
allem die Gefahr eines Attentats gegen die spanische
Tourismusindustrie – mit der wichtigste Wirtschaftszweig des
Königreichs – wird auf der Urlaubsinsel ernst genommen. Die Polizei
geht davon aus, dass sich derzeit ein ETA-Kommando an der
spanischen Mittelmeerküste aufhält, um Anschläge gegen
„touristische Interessen” zu verüben.
Die politischen Parteien auf der Insel verurteilten die
Entscheidung der Terroristen und riefen zur Geschlossenheit aller
demokratischen Kräfte auf. Die konservative Partido Popular (PP)
forderte im Gleichklang mit der spanischen Mutterpartei die
sozialistische Zentralregierung auf, ihre bisherige Strategie gegen
ETA zu korrigieren.
Angesichts der Appelle zur Einheit stand auf den Inseln die
Frage im Raum, ob die Aufkündigung des Waffenstillstandes Einfluss
auf die laufenden Koalitionsverhandlungen haben werde. Nach den
Regionalwahlen vom 27. Mai befinden sich die Parteien derzeit in
Gesprächen, um eine regierungsfähige Mehrheit herbeizuführen.
Die Inselpolitiker beschränkten sich auf wenige Aussagen zu
diesem Punkt. Das habe „keinen Einfluss”, sagte Sozialistenführer
Francesc Antich. In den Reihen der Unió Mallorquina wurde die
Erwartung laut, die PP sollte den Bruch des Waffenstillstandes
nicht als Kampfmittel gegen die Zentralregierung nutzen.
Der Präsident des mallorquinischen Hotelverbandes, Pere
Cañellas, bezeichnete die neue Situation als „besorgniserregend”
für die Bürger Spaniens. Er glaube aber nicht, dass die ETA-Drohung
Auswirkungen auf den Balearen-Tourismus haben werde. Cañellas
erinnerte daran, dass ETA schon früher Waffenstillstände
aufkündigte, ohne dass dabei ein Besucherrückgang festgestellt
wurde. Mallorca sei aufgrund seiner Insellage weit sicherer als
Regionen in Andalusien oder Valencia, wo derzeit der America's Cup
ausgetragen wird.
„Ich glaube nicht, dass die Touristen ihre Entscheidung, auf die
Inseln zu kommen, überdenken werden.” Im Gegensatz zum Festland –
wo in den Ferienorten seit 1979 weit über 100 Bomben explodierten –
hat ETA auf Mallorca bislang keine Anschläge auf Urlauber oder
touristische Einrichtungen verübt. Gleichwohl waren zweimal
Terrorkommandos auf der Insel aktiv. 1991 wurde ein Anschlag gegen
Soldatenwohnungen verübt, zwei Bomben explodierten, zwei Menschen
wurden leicht verletzt.
Im August 1995 versuchte ein ETA-Kommando in Palma, den
spanischen König zu erschießen. Die beiden Attentäter hatten sich
in Portopi eine Wohnung gemietet. Vor dort aus hatten sie Einblick
in den Militärhafen, wo das Segelboot des Monarchen liegt. Der
ETA-Scharfschütze hatte den König zweimal im Fadenkreuz, schoss
aber nicht, da der Fluchtweg noch nicht endgültig ausbaldowert war.
Das Attentat war für den 13. August vorgesehen; am 9. August griff
die Polizei zu und nahm neben den beiden Männern einen dritten
Komplizen in Alcúdia fest. Nach einem erfolgten Attentat hatten die
Terroristen auf einem Motorrad in den Inselnorden flüchten und
Mallorca per Segelboot verlassen wollen.
Das Beispiel macht deutlich, wie die Insellage Attentate
erschwert. Flughäfen und Fähren lassen sich leicht überwachen. Im
Ernstfall kann das Eiland komplett abgeschottet werden. Auch die
Anwesenheit des Königs, der seit Jahrzehnten seinen Sommerurlaub
auf Mallorca verbringt, trägt zur Sicherheit bei. Denn schon lange
im Vorfeld nimmt eine Armee von Sicherheitsleuten das Eiland unter
die Lupe, um Gefahrenpunkte zu erkennen und zu beseitigen.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.