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Offiziell beginnt die Karwoche in Palma schon mit der Ausstellung der Standarten, der Flaggen der einzelnen Bruderschaften, meist im Kreuzgang Sant Antoniet im Carrer Sant Miquel. Am Freitag vor der Karwoche werden die Standarten im feierlichen Umzug in die Kirche von Sant Francesc geleitet. Dort findet dann der sogenannte „Pregón” statt. Die Festrede hält jeweils eine bekannte Persönlichkeit der Insel. Damit gilt die Karwoche als offiziell eröffnet.

Am Palmsonntag beginnen dann die täglichen Prozessionen. Organisiert werden sie durch die frommen Bruderschaften, die „Cofradías” oder „Hermandades”. Diese Bruderschaften haben sich aus den mittelalterlichen Zünften entwickelt. Heute ist jede Bruderschaft einer bestimmten Gemeinde zugeordnet. Die Mitglieder kommen, wie die Angehörigen einer Loge oder Berufsvereinigung, mehrmals im Jahr zusammen, um für ihre Kirche zu sammeln, vor allem aber, um die Prozessionen der Karwoche vorzubereiten.

Mehr als 50 Bruderschaften gibt es auf Mallorca, 30 alleine in Palma. Die älteste, die „Cofradía Cruz de Calatrava”, wurde 1615 gegründet. Die Mitgliedschaft einer Bruderschaft wird meist vom Vater auf den Sohn vererbt, neuerdings auch von der Mutter auf die Tochter. Denn es gibt auch Bruderschaften, die nur aus Frauen bestehen. In früheren Jahrhunderten war Frauen die Teilnahme an den Prozessionen versagt. 1988 wurde in Palma die erste Bruderschaft von Frauen – besser sollte man sagen „Schwesternschaft” – gegründet. In der „Cofradía de la Agonía de Cristo” schlossen sich zunächst 40 Büßerinnen zusammen. Männer haben keinen Zutritt. „An der Prozession nahmen auch 500 Frauen teil, alle im Büßergewand, mit verdecktem Gesicht. Viele von ihnen trugen schwere Eisenketten”, sagt eine Chronik aus dem Jahr 1620. Die Prozessionen waren also nicht immer eine reine Männerangelegenheit.

Jede Bruderschaft trägt ihre ganz bestimmte, an der Farbe erkenntliche Kleidung, hat ein eigenes Banner an einer schweren Standarte, oft eine eigene Musikgruppe, die den Rhythmus des Zuges markiert. Dazu sagt ein Dokument aus dem Jahr 1355: „Alle Büßer müssen sich schwarz gewanden und das Gesicht bis auf die Augen abdecken, damit niemand ihr Alter und ihr Geschlecht erkennen kann.” Anonymität ist bis heute bei den Prozessionen gefragt – und Diskretion. Niemand wird fragen, warum ein Mitglied einer Bruderschaft, den Bußgang, oft mit Ketten an den Füßen oder einem schweren Holzkreuz auf den Schultern, auf sich nimmt. Wer sich besonderen Bußübungen widmet, ist von allen anderen Verpflichtungen, auch schon während der Vorbereitungen, entbunden.

Wobei eines klar ist – manche Mitglieder der Bruderschaften nehmen aus reiner Tradition an den Prozessionen teil, was sicherlich nicht für die aktiv Büßenden gilt. Die wichtigste Prozession auf Mallorca ist die Processió de la Sang, die Prozession des Heiligen Blutes. „El Cristo de la Sang”, der ans Kreuz geschlagene Christus, wird feierlich durch die Stadt getragen.

Zu anderen Zeiten steht die Figur in der gleichnamigen Kirche neben dem Hospital General. Sie wird von den Mallorquinern auch außerhalb der Osterzeit am meisten verehrt.

Viel beachtet und besucht ist die „Kreuzabnahme” (Devallement) in Pollença. Hier wird die Christusfigur der Kirche auf dem Kalvarienberg vom Kreuz genommen und auf eine Art Katafalk aufgebahrt. Dann trägt man sie die 365 Stufen des Kalvarienberges hinunter zur Gemeindekirche. Zu dieser Prozession kommen Menschen aus fast allen Teilen der Insel.

In Sineu findet ebenfalls am Karfreitag die „Prozession der Heiligen Grablegung und der Einsamkeit Maria” statt. Diesen Brauch gibt es in dem Landstädtchen seit dem Jahr 1667. An dieser Prozession nehmen mit die ältesten Bruderschaften der Insel teil, von denen manche schon seit Beginn des 17. Jahrhunderts bestehen. Am Gründonnerstag und Karfeitag finden auch in Muro Prozessionen statt. Am Karfreitag ist auch die „Schwesternschaft der Schwarzen Damen” dabei. Mit eine der ältesten Bruderschaften der Insel ist neben der der Madonna von Lluc zugeordneten Vereinigung die Bruderschaft des Heiligen Christus von Alcúdia. Chroniken zufolge wurde sie 1507 gegründet, nachdem die Christusstatue am 24. Februar des gleichen Jahres auf wunderbare Weise Blut und Wasser schwitzte, was wörtlich zu nehmen ist. Am Karsonntag versammeln sich die Gläubigen auf Mallorca in der Kathedrale, um die Auferstehung des Herrn zu feiern.