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VON ALEXANDER

SEPASGOSARIAN
Von den zahlreichen deutschen Konsuln, die auf Mallorca ihren Dienst versahen, ist einer zu literarischem Ruhm gelangt. Es ist eine zweifelhafte Ehre, denn bei dem besagten Konsul handelt es sich um Hans Dede, der in den Jahren des Dritten Reiches der oberste Repräsentant des Nazi-Regimes auf Mallorca war. Auf den rund 900 Seiten des preisgekrönten Romans von Albert Vigoleis Thelen „Die Insel des zweiten Gesichts” taucht Dede, insbesondere nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936, wiederholt namentlich auf.

Thelen und seine Frau Beatrice lebten von 1931 bis September 1936 in Palma. Der erklärte Hitler-Gegner Thelen musste, so ist in dem 1953 erschienen Roman nachzulesen, zuletzt um sein Leben fürchten, bis ihm und seiner Frau als Inselflüchtlinge schließlich die Ausreise auf einem britischen Kriegsschiff nach Frankreich gelang. „Sie? Sind Sie nicht erschossen?”, fragt der Konsul Dede verduzt, als Thelen und Beatrice schließlich in seiner Privatwohnung in El Terreno aufkreuzen, um – ohne Bürokratie geht es auch in Kriegszeiten nicht – den für die Ausreise mit den Briten notwendigen deutschen Stempeldruck in ihrem Pass zu erzwingen. Will man dem Roman Glauben schenken, war eine „Tilgungsliste” im Umlauf, mit Nazi-kritischen und damit „unerwünschten” Deutschen, die, wenn nicht getötet, so doch zumindest gefasst und „heim ins Reich” an die deutschen Behörden ausgeliefert werden sollten. Auf dieser Liste sollen auch Thelen samt Gattin gestanden haben.

Zum Hintergrund: Auf Mallorca hatten sich seit dem Machtantritt Hitlers zahlreiche deutsche Emigranten niedergelassen, die in ihrer Heimat aus politischen wie rassistischen Gründen verfolgt wurden. Allein in Palma waren in jenen Jahren rund 3000 Deutsche ansässig. Im Raum Cala Ratjada wiederum hatte sich eine kleine Kolonie von Nazigegnern, gebildet, unter ihnen Schriftsteller und Künstler. Dem bekanntesten unter ihnen, dem renommierten Pazifisten Heinz Kraschutzki, war auf Betreiben der Nazis bereits die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden. Im Bürgerkrieg wurde der Staatenlose von den Franquisten zum Tode verurteilt, später zu 30 Jahren Haft begnadigt. Bis zu seiner Freilassung 1945 saß Kraschutzki neun Jahre auf Mallorca sowie auf dem Festland im Gefängnis.

In all dieser Zeit war Hans Dede Konsul auf der Insel. Doch die Darstellung seiner Karriere in Thelens Roman bedarf in einem Punkt der Korrektur. Dede zog nicht erst infolge der Machtübernahme Hitlers im Konsulat ein, sondern war dort schon gut ein Jahr zuvor hauptverantwortlich tätig. Thelen schreibt über die Monate, nachdem Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war: „Ins Deutsche Konsulat war ein neuer Konsul eingezogen. Der bisherige Geschäftsträger, eine Art Kanzler und beeidigter Bürolist, pflichtbewußter Mann, der seine Stempelkissen immer feucht hielt und keiner Fliege ein Bein ausriß, außerdem in der Kolonie den Namen ,Kartoffelkeim' hatte, weil er trotz der Sonne nicht braun werden wollte, und immer aussah, als hätte man ihn gerade aus der Miete seiner ewigen Überwinterung gezogen, dieser Herr legte sein Amt nieder, oder es wurde ihm niedergelegt, und dann wusch er seine Hände in Unschuld und handelte weiter en gros mit Apfelsinen. Sein Nachfolger (gemeint ist Dede) kam auch nicht gerade aus der Sommerfrische, aber er war braun, von Angesicht erst, dann der Gesinnung nach; eine kleine Umfärbung, und es war geschafft.” Aus amtlichen Dokumenten geht hervor, dass das Auswärtige Amt in Berlin nach dem Tod des langjährigen Mallorca-Konsuls Alfred Müller (21. Dezember 1931) bereits am 22. März 1932 Hans Dede zum kommisarischen Leiter des Konsulats ernannte. Um den verwaisten Posten hatten sich zuvor fünf deutsche Mallorca-Residenten beworben. Dede selbst trat zunächst gar nicht persönlich an, sondern wurde von seinem Arbeitgeber – der Reise– und Schiffahrtsagentur Baquera, Kusche & Martin S.A. (BKM) mit Büro am Borne – ins Rennen geschickt. Der 1900 in Hamburg geborene Dede hatte in seiner Heimatstadt eine kaufmännische Lehre absolviert und danach diverse Posten in Handelshäusern in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien bekleidet. Dede lebte seit 1929 in Spanien, war mit einer Lübeckerin verheiratet und seit kurzem als Geschäftsführer der BKM-Filiale nach Palma entsandt worden.

Bald schon wurde das Konsulat in die Räume der Niederlassung verlagert. Der junge Mann bewährte sich auf seinem Posten, ein knappes Jahr später, im Februar 1933, planten seine Vorgesetzten, ihn zum Konsul zu ernennen. In Berlin war vier Wochen Adolf Hitler im Amt. Da Dede keine jüdischen Vorfahren hatte, wie eine diesbezügliche Prüfung im Juli ergab, konnte er weiter damit rechnen, nun offiziell zum Honorarkonsul ernannt zu werden. Reichspräsident von Hindenburg bestallte Dede noch im selben Monat. Allerdings dauerte es bis Ende Mai 1934, bis Dede auch vom spanischen Staat als Konsul anerkannt wurde. Offenbar musste lange geprüft werden, ob die Doppelfunktion Konsulat und Filialleiter zulässig ist. Bedenken hatten wohl nicht nur die spanischen Behörden. Denn noch Juli meldete Dede dem Generalkonsulat in Barcelona, dass er sich geschäftlich von BKM getrennt hätte und nun „vollkommen ungebunden” sei „in meinen Handlungen”. Die Lösung vom Arbeitgeber brachte ihm an Entschädigung und Kommission rund 19.000 Petsetas ein, damals ein Vermögen.

Den Unterlagen ist zu entnehmen, dass Dede sich im Jahre 1934 um Beitritt in die Auslandsorganisation der Nazi-Partei NSDAP-AO beworben hatte. Gleichwohl bestanden Spannungen zwischem ihm und den örtlichen Parteiführern. Dede wolle der deutsche Gruß „Heil Hitler” nicht recht über die Lippen kommen, mokierte sich ein brauner Parteigenosse.

Im anonymen Schreiben eines Spitzels von 1939 heißt es, Dede habe „anfangs wohl noch beinahe auffällig gewisse Emigranten (ganz besonders auch jüdische) stark protegiert.” Er habe sich dann „diesbezüglich nun wohl gebessert und seine Tätigkeit als Nationalsozialist energischer aufgenommen.” Das „energische” Agieren des Konsuls – als oberster Stellvertreter von Führer und Reichskanzler auf Mallorca – verstärkte indirekt bis direkt den wachsenden Druck auf die jüdisch-deutschen Inselresidenten. Und zwar so weit, dass etwa das Ehepaar Heinemann in El Terreno (siehe MM 14/2005) sowie das Ehepaar Zinner in Santa Catalina sich aus Furcht vor Ausweisung an Nazi-Deutschland das Leben nahmen. Hans Dede selbst soll hohen Alters in Südamerika gestorben sein.