Er ist einer der größten Kämpfer, die ich je gesehen habe. Für
sein Alter ist er körperlich sehr weit und mental extrem stark. Er
spielt mit gleicher Intensität um jeden Punkt und hat eine
vorbildliche professionelle Einstellung. Show auf dem Platz
interessiert ihn nicht, er präsentiert Sport pur.”
So beschreibt Charly Steeb, der deutsche Ex-Profi und ehemalige
Daviscup-Kapitän, in Halle gegenüber MM den König der
Mallorquiner: Rafael Nadal, der sich bei den Gerry Weber Open auch
auf Rasen durchzusetzen versuchte.
Was ihm nicht gelang. Ihm fehle eben noch viel, in vielen
Bereichen, sagt Steeb nicht nur mit Hinweis auf den Rasen. Zum
Beispiel müsse er noch intensiv an seinem vergleichsweise schwachen
Aufschlag arbeiten. Der Experte ist jedoch sicher: „Er wird
zusammen mit Roger Federer in den nächsten Jahren das Welttennis
dominieren.”
Charly Steeb ist aus seiner Wahlheimat Mallorca nach Halle in
Westfalen gereist, um die Spiele der Gerry Weber Open für das ZDF
zu kommentieren. Nadal und Steeb wohnen im gleichen Hotel, das
Gerry Weber Stadion ist nur wenige Meter entfernt. Auf einem
Nebenplatz trainiert „Rafa” am Dienstag das erste Mal in diesem
Jahr auf Rasen.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit, obwohl „Bild” am Mittwoch
berichtet, bei seinem ersten Training in Halle habe „Riesenandrang”
geherrscht. Pustekuchen: Weil Sicherheitskräfte das Publikum gar
nicht durchlassen, ist in Wahrheit nur eine Handvoll Leute dabei,
darunter der Mann von MM.
Nach dem Training gibt sich die Nummer zwei der Welt wortkarg.
„Diferente” und vor allem „sehr schnell” sei das Spiel auf Rasen im
Vergleich zu dem auf Sand, sagt Rafael gegenüber dieser Zeitung.
Fast wortgleich äußert er sich nach der Niederlage gegen Alexander
Waske im DSF-Interview mit Boris Becker: Das Spiel auf Rasen sei
völlig anderes Tennis, das er noch lernen müsse.
Schüchtern wirkt dieser Mann in Halle, eher ein zurückhaltendes
Bürschchen; von einem Star hat er nichts. Wäre er nicht durch seine
sechs Turniersiege in diesem Jahr in der Tenniswelt berühmt
geworden, niemand würde sich nach ihm umdrehen.
Der 19jährige aus Manacor übt noch, mit dem Ruhm umzugehen.
Autogramme gibt er bereitwillig-pflichtgemäß, scheint aber jedesmal
froh, wenn er den Filzstift wieder abgeben kann.
Auch Interviews gewährt er, aber wortkarg und ungeübt: In Halle
herrsche eine tolle Atmosphäre, die Menschen seien freundlich und
die Konkurrenz groß.
Dabei fällt auf, dass Nadal des Englischen nicht übermäßig mächtig
ist, kaum einer der deutschen Reporter spricht jedoch Spanisch. So
kommt ein Kauderwelsch zustande, das das Gerry-Weber-Open-Magazin
„Matchpoint” als „Spanglisch” bezeichnet.
Immerhin: Nadal will in diesem Jahr kräftig Englisch lernen.
Wenn er das mit gleicher Intensität angeht wie seinen Sport, sind
Interviews mit ihm bald ein Kinderspiel.
In Halle erzählt er MM noch auf spanisch, wie sehr er
seinen „Tio Toni”, seinen Mentor und Trainer, vermisse: Der ist
nicht mit nach Halle gekommen, sondern auf Mallorca geblieben.
Onkel Toni verdankt Rafael, was Tennis betrifft, fast alles. Zum
Beispiel die Erkenntnis, dass „der Erfolg von gestern heute nicht
mehr zählt”. Dass er er selbst bleiben und sich jeden Tag
weiterentwickeln müsse.
Onkel Toni hat ihn stark gemacht: sowohl mental als auch
konditionell, durch unglaublich viel Training im Winter.
Muskelprotz Nadal: „Ich kann in jedes Match mit dem Gefühl gehen,
körperlich topfit zu sein, vier oder fünf Stunden voll Power
durchhalten zu können. Das macht mich auf dem Platz ganz
gelassen.”
Noch ein Onkel aus der Sippe der Nadals in Manacor hat den
jungen Rafael beeinflusst: Miguel Angel Nadal, der zigfache
spanische Nationalspieler, der vor allem beim FC Barcelona und bei
Real Mallorca kickte. Onkel Miguel Angel hat Rafael nämlich – wohl
eher unfreiwillig – davon abgehalten, Fußballer zu werden: „Ich
wollte lieber Tennis spielen, um nicht immer mit ihm verglichen zu
werden.”
In der Tenniswelt werden andere an ihm gemessen. Tommy Haas in
Halle gegenüber MM: „Hut ab. Rafael ist der Mann der Zukunft.” Wird
er die Nummer eins: „Sehr wahrscheinlich.” Bald? „Ziemlich bald,
wenn er auf Rasen zurechtkommt.”
Gegen Waske kommt er noch nicht zurecht. Rafael Nadal fliegt
erst nach Hause und dann nach England, um sich auf Rasenplätzen auf
Wimbledon vorzubereiten. Mit der Intensität, die man von ihm kennt.
Der frühe Abschied in Halle gegen die Nummer 195 der Welt wurmt ihn
ganz gewiss.
Charly Steeb denkt derweil an einen anderen jungen Spieler: an
seinen neunjährigen Sohn Luke, der am Donnerstag (nach
Redaktionsschluss dieser Ausgabe) in Santa Ponça sein erstes großes
Endspiel bestritt, gegen den besten Mallorquiner seiner
Altersklasse. Lukes Vorbilder sind Papa Charly – und Rafael Nadal.
Für Tennisspieler ist Mallorca fruchtbarer Boden.
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